Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Merk kalt entschlossen war, Mollath weiterhin in der Psychiatrie gefangen zu halten. Jeder Hoffnung beraubt, war ernstlich zu befürchten, dass Mollath sich etwas antun könnte. Deshalb entschloss ich mich, die Justizministerin öffentlich anzugreifen. Mein Ziel war, sie zum Rücktritt zu zwingen.
Am 5 . Mai 2012 hielt ich auf Einladung von Markus Rinderspacher, dem Vorsitzenden der SPD -Landtagsfraktion, in München-Trudering einen Vortrag. Ich legte unter anderem dar, wie übel vormals das Justizministerium – unter Stoibers Verantwortlichkeit – dem CSU -Staatssekretär Erich Riedl mitgespielt hatte. Daran anknüpfend, schilderte ich den Justizskandal Mollath. Die Zuhörer waren sichtlich betroffen. Sodann berichtete ich, dass Justizministerin Merk im Landtag vorgetragen hatte, Mollath habe keinerlei Beweise, sondern nur ein in einem Schnellhefter enthaltenes »abstruses Sammelsurium« vorgelegt. Ich las aus ihrem Bericht vor, in dem sie detailliert den Inhalt aufgeschlüsselt hatte.
»Meine Damen und Herren«, fuhr ich fort, »die Ministerin hat dabei jedoch gerade die Schriftstücke unterschlagen, die beweiskräftig waren.« Ich hielt diese Schriftstücke in die Höhe, damit sie jeder sehen konnte, und las dann daraus vor. Es waren insbesondere
– vier Überweisungsanordnungen für Nummernkonten bei der LEU -Bank in Zürich über insgesamt 115 000 Mark als Schwarzgeldgeschäft nur eines einzigen Tages;
– von der LEU -Bank in Zürich an die Ehefrau Petra Mollath gefaxte Anlagen- und Vermögensverzeichnisse mit einer Gesamtsumme von 392 000 Euro beziehungsweise 780 000 Mark;
– die Vollmacht einer Kundin, aus der hervorging, dass die bei der HypoVereinsbank beschäftigte Petra Mollath deren Gelder bei zwei Banken in Zürich und in Kreuzlingen verwaltete;
– von Gustl Mollath aufgenommene Personenfotos von einer Veranstaltung in der Schweiz, die er als »Schwarzgeldseminar« für die 50 erfolgreichsten Schwarzgeldverschieber der HypoVereinsbank in Deutschland bezeichnete.
Und ich zitierte die verwendeten Schweizer Nummernkonten, nämlich: Pythagoras, Selingstadt 2986 , DVD 6006 , Klavier 2285 , Laim 1112 .
Sodann warf ich der Ministerin vor, sie habe den Landtag getäuscht, indem sie diese Beweise unterschlagen habe. Markus Rinderspacher fragte mich anschließend, ob er die Sache aufgreifen solle. Ich winkte ab, es war noch zu früh.
Zehn Tage später hielt ich wieder einen Vortrag in München, in der renommierten Gabriel-von-Seidl-Villa in Schwabing, dieses Mal auf Einladung von Transparency International, der Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger sowie der Vereinigung demokratischer Juristen und Juristinnen. Der Saal war vollbesetzt. Wieder schilderte ich den Fall Mollath und wie die Justizministerin im Landtag die Beweise unterschlagen hatte. Wieder las ich aus diesen Unterlagen vor, zitierte zum Amüsement der Zuhörer die Nummernkonten. Es gab kräftigen Beifall.
Ich war mir sicher, dass der Justizministerin alles zugetragen würde. Denn es waren sehr viele Juristen da, der Anwalt von Max Strauß aus Hamburg saß im Publikum, ein Rechtsanwalt sagte, er habe auch vier Beamte der Staatskanzlei bemerkt. Mein Kalkül war: Wenn die Ministerin gegen meinen Vorwurf nichts unternahm, war das ein Offenbarungseid. Dann war sie bloßgestellt. Stellte sie aber gegen mich einen Strafantrag wegen Verleumdung, würde sie verlieren und zurücktreten müssen, denn die Täuschung war urkundlich nachweisbar. Das Risiko, dass mich ein auf Beförderung hoffender Richter dennoch verurteilen würde, war freilich alles andere als gering – ich nahm es in Kauf. Doch der Strafantrag blieb aus.
Die Ministerin sah sich unversehens einem weiteren Angriff ausgesetzt. Forsch hatte sie im Rechtsausschuss behauptet, die erwähnte Stellungnahme von Prof. Dieckhöfer genüge nicht wissenschaftlichen Standards. Als die Ministerin eine Abmahnung seines Anwalts schroff zurückwies, verklagte sie Prof. Dieckhöfer auf Unterlassung ihrer herabsetzenden Behauptung – für jeden Fall der Zuwiderhandlung auf Zahlung von 250 000 Euro, ersatzweise sechs Monate Haft. Das Verfahren läuft noch.
Es war eng für Beate Merk geworden. Aber es sollte noch enger werden.
Verlorene Lebenszeit
Juni 2012 . Die Zeit seit der letzten gerichtlichen Überprüfung der Unterbringung Mollaths im Juni 2011 war rasch verstrichen, nicht aber für Mollath, für den sie sich endlos hinzog. Man hatte ihn ein weiteres Jahr in der
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