Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Psychiatrie dahinvegetieren lassen. Die nächste Überprüfung stand nun an. Der bisherige Anwalt Mollaths war überlastet, es galt, einen neuen Pflichtverteidiger zu finden. Es fand sich die sehr engagierte Münchner Rechtsanwältin Erika Lorenz-Löblein, für Mollath ein Glücksfall. Sie las das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth und sagte dann spontan zu mir: »Das enthält ja überhaupt keine Beweise!« Sie schürfte in den Abgründen der staatsanwaltschaftlichen und gerichtlichen Akten, die rätselhafterweise lückenhaft waren, förderte Rechtswidrigkeit um Rechtswidrigkeit zutage.
Aber was würde sein, wenn man Mollath dennoch nicht freiließ? Würde er das weiter durchstehen? Es gab Anzeichen, dass er mürbe wurde, resignierte. Bei einem Telefonat äußerte er, an der bevorstehenden gerichtlichen Anhörung wolle er nicht teilnehmen, es sei doch alles sinnlos. Bei weiteren Gesprächen sagte er: »Ich habe keine Perspektive mehr, ich bin am Ende.« Auch fühle er sich gesundheitlich schwach. An seiner rechten Hand empfinde er eine Taubheit, diese habe bereits auf seine linke Hand übergegriffen. Ich erschrak. Verabreichte man ihm heimlich Medikamente? Bestürzt erfuhr ich von ihm, dass er schon seit Monaten nicht mehr den täglichen einstündigen Gang in den Garten wahrnehme, er sei zu müde. Bei den dreimal in der Nacht stattfindenden Zimmerkontrollen würde er stets aufwachen; diese unentwegten Schlafstörungen setzten ihm zu.
Natürlich redete ich ihm gut zu, nicht aufzugeben. Und der Unterstützerkreis bemühte sich rührend um ihn, wies auf sein Schicksal weiterhin im Internet hin, verteilte in Nürnberg Flugblätter. Doch die Frage blieb: Würde er zerbrechen?
Seine wiederverheiratete Exfrau, die von ihrer Bank entlassen worden war, bot mittlerweile auf ihrer Homepage Geistheilung und Seelenverbindungen an. Sie habe den Wunsch, andere Menschen, die das Leben aus der Spur geworfen hat, zu unterstützen, damit auch sie wieder »zurück zu ihrer Mitte« fänden, schrieb sie.
Rudolf Elmer, ein Deutscher, war in leitender Position bei der Schweizer Großbank Julius Bär beschäftigt, zuletzt in deren Niederlassung auf den Cayman-Inseln. Er konnte die kriminellen Geldverschiebungen riesigen Ausmaßes nicht mehr ertragen, ließ seine Bank auffliegen. Diese setzte ihm Detektive auf die Fersen. Er erinnerte sich an Verfolgungsjagden auf der Autobahn, an quietschende Reifen. Er fürchtete, man trachte ihm und seiner Familie nach dem Leben. Schließlich wurde er verhaftet, kam in Winterthur/Schweiz ins Gefängnis. Die Presse berichtete groß über sein Schicksal. Mollath schrieb ihm, erzählte seinen parallelen Fall.
Elmer antwortete aus dem Gefängnis, er habe Bayreuth in guter Erinnerung, sein Schwiegervater habe dort manchmal in der Kirche gepredigt und Orgelkonzerte gegeben. Zum Schwarzgeld sagte er, der Begriff decke nur die Spitze des Eisbergs ab. »In den meisten Fällen geht es um kriminelle Handlungen, und deshalb werden Methoden angewandt von Psychoterror bis Körperverletzung, um die Steueruntersuchung zu stoppen.« Er kenne auch den Fall der hessischen Steuerfahnder (s. »Die unheilbare Paranoia der hessischen Steuerfahnder«, S. 282 ff.). Die Bankenwelt werde sich erst ändern, wenn ein paar der Topbanker hinter schwedischen Gardinen sitzen.
Aber vorerst traf es stattdessen diejenigen, die sich ein Gewissen machten.
Die Wende zugunsten Mollaths
Ende August 2012 erreichte Gustl Mollath ein köstlicher und kostbarer Brief. Ein Rechtsanwalt aus Nürnberg forderte ihn unter Klageandrohung auf, die unwahre Angabe in seiner Strafanzeige zu widerrufen, dass sein Mandant R. A. Schwarzgeld in die Schweiz transferiert habe. Die Steuerfahndung werfe das seinem Mandanten nunmehr vor. Ein beigefügtes Schreiben des Finanzamts Nürnberg-Süd vom 2 . Juli 2012 bestätigte dies. Es hieß darin außerdem: »Diese Erkenntnisse beziehen sich nicht nur auf Ihren Mandanten, sondern auch auf weitere Personen. Dabei hat sich gezeigt, dass die vorliegenden Erkenntnisse in mehreren Fällen zutreffend waren.« Sodann führte das Schreiben folgende Schweizer Nummernkonten an: Pythagoras, Selingstadt 2986 , DVD 6006 , Klavier 2285 , Laim 1112 . Es waren genau die Nummernkonten der von Mollath der Justiz übergebenen Buchungsanordnungen, welche die Justizministerin im Rechtsausschuss des Landtags unterschlagen hatte!
Dreist hatte Merk die Abgeordneten mit einer lächerlichen Fabel übertölpelt: Ein Staatsanwalt liest
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