Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
mit der Aufschrift »Fall Mollath«.
Ein Pressesturm brach los. Der Stern , der Spiegel , die Tageszeitungen berichteten bundesweit, ARD und ZDF stellten den Fall in der Tagesschau dar, der Bayerische Rundfunk berichtete unentwegt und sogar das Bayerische Fernsehen – ich stellte allen bereitwillig meine umfangreichen Unterlagen zur Verfügung. BBC London und andere ausländische Medien berichteten, wie es in Bayern zugeht. Man verwies darauf, wie man in der Sowjetunion Regimekritiker in psychiatrischen Anstalten gefangen hielt. In einer stürmischen Sitzung des Landtags forderten die Oppositionsparteien den Rücktritt der Justizministerin. Denn sie habe den Landtag und die Öffentlichkeit mehrfach belogen.
Der Fall Mollath war jetzt überall bekannt. Die Menschen im Lande waren aufgewühlt, sie stellten sich entsetzt vor, ihnen hätte man so mitgespielt. Jeder fragte sich, ob er wie Mollath sieben Jahre in der Psychiatrie durchgestanden hätte, ohne dabei wirklich verrückt zu werden. Mit wem man auch zusammentraf, es wurde über Mollaths Schicksal geredet. Das Fernsehen brachte mehrmals Interviews mit ihm – jedermann war beeindruckt, wie ruhig, geordnet und gewandt er sprach. Man war allgemein überzeugt: Dieser Mann ist nicht wahnsinnig. Aber die Justizministerin Merk blieb hart. Und ihr Chef Seehofer sprach ihr im Landtag sein volles Vertrauen aus.
Beate Merk wies die gegen sie erhobenen Vorwürfe »mit aller Schärfe zurück«. Mit weiteren Unwahrheiten versuchte sie ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Nachdem das Etikett »paranoider Wahn« von Mollath abgefallen war, behauptete sie plötzlich, Mollath sei wegen seiner (angeblichen) schweren Straftaten gefährlich und deshalb in die Psychiatrie verbracht worden (Presseerklärung vom 1 . November 2012 ). Doch ohne Geisteskrankheit landet man nicht in der Psychiatrie. Den Vorwurf, sie habe dem Landtag die eidesstattliche Versicherung des Zahnarztes Braun vorenthalten, fälschte sie ab. Sie tat so, als ob es sich um die eidesstattliche Versicherung »des früheren Richters« gehandelt habe – dazu habe sie doch im Landtagsplenum Stellung genommen! Dem Vorwurf, Mollath hätte entlassen werden müssen, nachdem der Anstaltsarzt Dr. Simmerl ihn in gerichtlichem Auftrag 2007 untersucht und ihn – Paranoia, Schizophrenie und gehirnorganische Störungen nachdrücklich ausschließend – für voll geschäftsfähig erklärt hatte, hielt sie im Landtag den absurden Einwand entgegen, dieser Sachverständige habe sein Gutachten nicht im Unterbringungsverfahren, sondern im Betreuungsverfahren erstellt. Ganz so, als ob er im Unterbringungsverfahren eine andere Diagnose gestellt hätte!
Vor dem Vorwurf, sie habe im Rechtsausschuss die im Schnellhefter enthaltenen Beweise in Gestalt von Überweisungen auf Nummernkonten wie Pythagoras, Klavier, DVD usw. vorenthalten, musste sie jedoch kapitulieren, dazu schwieg sie sich aus. Frech behauptete sie einfach: »Ich habe im Fall Mollath dem Rechtsausschuss selbstverständlich umfassend berichtet.« Dieses affirmative Auftrumpfen, wenn sie sich über die Wahrheit hinwegsetzt, kennzeichnet sie allgemein. Es kehrt wieder in dekretierenden Formulierungen typischer Art wie: »Ich sage ganz klar, dass …«, oder auf Vorhalt: Es ist »gerade nicht« so, also genau umgekehrt. Dass die Gegenseite genau weiß, dass sie die Unwahrheit sagt, lässt sie nicht einmal erröten.
Einen an Peinlichkeit nicht zu übertreffenden Striptease legte sie in einem Interview mit der ARD hin. Monika Anthes von Report Mainz fragte sie, ob Mollath zu Recht inhaftiert sei. Antwort: Ja, denn Gutachten hätten seine Straftaten festgestellt. Doch solche Gutachten gab es nicht! Die Frage, ob sie den Bericht der Innenrevision der HypoVereinsbank vorliegen hatte, bejahte sie. Als sie daraufhin von der Journalistin mit den Feststellungen der Innenrevision und mit ihrer gegenteiligen Darstellung im Landtag konfrontiert wurde, reagierte sie äußerst nervös und unwirsch, jeweils nur ein paar Worte hervorstoßend, mit flackernden Augen Hilfe suchend zu ihren Mitarbeitern blickend. Nur noch formelhaft antwortend, zappelte sie unrettbar am Angelhaken der immer wieder nachbohrenden Journalistin. Sie musste kapitulieren: »Ich habe dem Parlament das gesagt, was ich zu diesem Thema wusste und was die Staatsanwaltschaft zu diesem Thema wusste. Und wenn Sie jetzt weitere Informationen hier einbringen, so kann ich dazu nichts sagen.« Höchst gereizt brach sie das
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