Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
al-Kassar, nach Einschätzung des Bundeskriminalamts der gefährlichste Waffen- und Drogenhändler der Welt, miteinander in Verbindung standen. Als erwiesen anzusehen ist auch, dass dieser, als er 1988 am Grenzübergang Bad Reichenhall aufgrund eines internationalen Haftbefehls verhaftet wurde und wegen einer Verurteilung durch das Pariser Schwurgericht zu einer hohen Gefängnisstrafe nach Frankreich ausgeliefert werden sollte, nur deshalb wieder freikam, weil Strauß sich dafür einsetzte. Offensichtlich in seinem Auftrag waren entweder sein Sohn Max (so der Fahrer Monzer al-Kassars in einem abgehörten Gespräch mit diesem) oder ein Staatssekretär nach Paris geflogen, um sich dort für einen Verzicht auf die Auslieferung einzusetzen. Fest steht, dass Max Strauß wegen der Verhaftung Monzer al-Kassars eigens seinen Pfingsturlaub in der Ägäis abbrach und nach München flog.
Auch die Tatsache, dass Monzer al-Kassar – trotz eines untersagenden Einreisevotums des Bundeskriminalamts – bald darauf wieder nach Bayern einreisen durfte, ist nur mit dem Eingreifen von F. J. Strauß zu erklären. Denn wer sonst in Bayern hätte die Grenzpolizei veranlassen können, Monzer al-Kassar nicht zu behelligen? Gab es für Strauß geschäftliche Gründe? Die Umstände sprechen dafür, anders ist das Verhalten von Strauß nicht zu erklären. Al-Kassars Anwalt Udo Krause aus Laufen räumte ein: »Offenbar kannte al-Kassar F. J. Strauß sehr gut.« Darauf weist auch ein Vermerk im Notizbuch al-Kassars hin: »Strauß, was ist mit MWI ? Telex.« MWI war eine von MBB entwickelte Streubombe, es ging wohl um ein angestrebtes Waffengeschäft. Strauß saß im Aufsichtsrat der Waffenschmiede MBB und hatte dort das Sagen.
Monzer al-Kassar wurde im Frühjahr 2010 in den USA zu lebenslanger Haft verurteilt. Die spanischen Behörden hatten ihm am Flughafen Madrid eine Falle gestellt und ihn an die USA ausgeliefert. Er war auch in Terroranschläge verwickelt wie zum Beispiel in das Attentat auf den italienischen Kreuzfahrtdampfer Achille Lauro . Damals wurde ein im Rollstuhl sitzender Amerikaner über Bord gestoßen.
Der Fall Bekir Celenk
Nach dem Attentat auf Papst Johannes Paul II. von 1981 wurde mit internationalem Haftbefehl nach einem Türken namens Bekir Celenk gefahndet, wie al-Kassar ebenfalls ein Waffen- und Drogenhändler. Celenk galt als Finanzier des Papstattentats. Sein enger Partner soll ein gewisser Atalay Saral gewesen sein. Das Erstaunliche: Trotz des internationalen Haftbefehls konnte Celenk sich in Bayern frei bewegen! So wurde er beispielsweise in einem Café in der Sonnenstraße in München gesichtet, wie Silvia Matthies, eine Journalistin des Bayerischen Fernsehens, her ausfand.
Silvia Matthies suchte zusammen mit einer Kollegin im Zuge ihrer Recherche über das Papstattentat in Trient 1982 den Untersuchungsrichter Palermo auf, einen Mann, der von sechs Leibwächtern abgeschirmt wurde. Als er hörte, dass sie aus Bayern kamen, lachte er laut auf: »Was, Sie beide kommen aus Bayern? Sie können doch gar nicht berichten! Ihr Ministerpräsident Strauß steckt doch selbst ganz tief in den Waffengeschäften drin!«
Celenk, so Silvia Matthies, sei schließlich nach Bulgarien geflüchtet, wo er seinen zweiten Hauptwohnsitz gehabt habe. Bis dahin habe er mit behördlicher Duldung illegal Ausländer einschleusen können, berichtete sie. In jedem Fall stellt sich die Frage, ob Celenk etwa deshalb auf freiem Fuß blieb, weil er möglicherweise eine Beziehung zu Strauß hatte. Auffällig ist, wie die Journalistin erfuhr, dass Bekir Celenk von der Anwaltskanzlei Friedrich Zimmermann & Partner vertreten worden sein soll. Zimmermann, einer der engsten Vertrauten von Strauß, war bekannt unter dem Spitznamen »Old Schwurhand«. Er hatte im Spielbankenprozess objektiv einen Meineid geschworen, litt aber, wie ein Arzt ein halbes Jahr später diagnostizierte, zu diesem Zeitpunkt an Unterzuckerung, sodass er wegen Schuldunfähigkeit schließlich freigesprochen wurde.
Die beiden Journalistinnen verfassten einen ausführlichen Bericht über ihre zwei Jahre dauernden Recherchen für den Bayerischen Rundfunk. Aber erstaunlicherweise ließ der Strauß treu ergebene Chefredakteur Rudolf Mühlfenzl nichts davon senden. Warum wurde der Bericht den Bürgern vorenthalten? Insoweit besteht dringender Aufklärungsbedarf.
Die Freundschaft zwischen Strauß und Schiwkow
Der rätselhafte Fall Celenk gibt Anlass, auf die eigentümlich guten
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