Wahnsinn
erwiderte sie. »Er hält jede Andeutung, seine Mutter könnte ihn missbraucht haben, für einen schlechten Scherz.«
»Verstehe«, sagte er. »Also gut. Dann kann der Junge zu Hause bleiben. Das ist mir auch lieber so. Ihr Büro übernimmt selbstverständlich die Verantwortung für die Überwachung der häuslichen Verhältnisse.«
»Selbstverständlich, Euer Ehren.«
Dann traf er seine Entscheidung.
Und das war’s.
Sie wartete auf dem Gerichtsflur, während Sansom ein paar Meter weiter einige private Worte mit Miss Stone wechselte.
Sie sah Arthur, wie er mit Edward Wood, seinem Anwalt, aus dem Gerichtssaal kam.
Sie kannte Wood. Er aß häufig in Arthurs Restaurant, und noch häufiger verwandelte er das Hinterzimmer von Arthurs Bar in seinen ganz persönlichen Gerichtssaal. Natürlich hatte Arthur ihn engagiert. Was bedauerlicherweise ein ziemlich kluger Schachzug von Arthur gewesen war.
Wood kannte Gott und die Welt. Rechtsanwälte, Politiker, Experten für dies und jenes. Er spendierte ihnen Drinks, verlor jedoch kein Sterbenswörtchen darüber. Seine Rechnungen bei Arthur waren immens und seine Sekretärin beglich die Außenstände im Monatsrhythmus.
Er war aalglatt und intelligent. Sie hatte ihn nie auch nur ein Glas über den Durst trinken sehen, während er die Hälfte der Männer in seiner Gesellschaft mit schöner Regelmäßigkeit dazu brachte, dass sie ihrerseits zu viel tranken und zu viel redeten.
Sie nahm an, dass man auf diese Weise so einiges in Erfahrung brachte. Arthur sagte immer, Wood wisse genau, wer in der Gegend eine Leiche im Keller hatte.
Als sie auf den Gerichtsflur hinaustraten, lächelte Wood ihr zu.
Das Lächeln verriet Mitgefühl. Arme Lydia.
Arme Frau.
Fick dich, dachte sie. Wir werden ja sehen, ob ich dir in zwei Wochen immer noch leidtue. Abwarten.
Arthur bemerkte sie ebenfalls.
Im Gerichtssaal hatte sie tunlichst vermieden, ihn anzusehen. Sie hatte lediglich den neuen blauen Nadelstreifenanzug bemerkt, der Woods Anzug beinahe auf die Naht glich. Nun fiel ihr auf, dass er dünner wirkte, abgespannt, blass.
Gut so, dachte sie. Wenn ich kein Auge zukriege, warum soll es dir dann besser gehen.
Er blieb stehen und einen Augenblick lang befürchtete sie, er könne auf die Idee kommen, sich ihr zu nähern. Er wirkte so erschöpft wie noch nie zuvor. Fast so besorgt wie sie selbst. Er biss die Zähne so fest zusammen, dass es wehtun musste. Seine dunklen Augen funkelten sie an, so dass sie unwillkürlich einen Schritt zurückwich, sie hörte das Klacken ihrer hohen Absätze durch den Gerichtskorridor hallen.
Sein Blick wurde weicher. Seine Lippen formten Worte, dann wandte er sich ab.
Sie brauchte einen Moment, bis sie begriff, was er gesagt hatte.
Doch dann wusste sie es. Und der Flur begann sich um sie herum zu drehen.
Du gehörst mir, hatte er gesagt.
17
Kapitalverbrechen
Der Artikel erschien im Lokalteil des Union Leader und war nur wenige Zeilen lang. »Der Restaurantbesitzer Arthur W. Danse aus Plymouth wurde am Dienstag von seiner Exfrau Lydia Danse vor dem Obersten Gerichtshof des Staates New Hampshire des Kindesmissbrauchs beschuldigt. Die mündliche Verhandlung beginnt am zweiundzwanzigsten Februar.«
Obwohl es am Freitagabend in Strömen regnete, war das Caves gut besucht. Wohin er auch blickte, überall sah er die Zeitung. Sie lag auf den Tischen aus, lugte aus Aktentaschen, und ein Exemplar lag sogar zusammengefaltet direkt neben dem Ellbogen einer Frau auf dem Tresen.
Ständig dachte er, dass alle die Ankündigung gelesen hatten. Jeder, ohne Ausnahme. Natürlich hatten sie es gelesen. Und jetzt machten sie sich hinter seinem Rücken über ihn lustig.
Diese Schweine.
»Ich bin im Büro, wenn du mich brauchst«, sagte er zu Jake.
Jake nickte und winkte ihm zu. Der zweite Barmann, Billy warf ihm nur einen kurzen Blick zu.
Wenigstens Jake hielt zu ihm.
Er war nicht wie alle anderen.
Er bahnte sich einen Weg durch die lärmende Meute aus Büroangestellten und Collegestudenten vor dem Tresen. Normalerweise hätte er sich Zeit gelassen, Bekannte begrüßt, hier und da ein Schwätzchen gehalten. Da war er Profi. Doch jetzt pflügte er achtlos durch die Menge. Zur Hölle mit ihnen.
Wenigstens waren die Umsätze noch nicht eingebrochen.
Er schloss die Tür hinter sich und ließ sich hinter dem großen Mahagonischreibtisch nieder. Der Schreibtisch war so gut wie leer. Er sorgte stets dafür, dass alles ordentlich aufgeräumt war.
Er lauschte den
Weitere Kostenlose Bücher