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Wahnsinn

Titel: Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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Kälte zitterte? In ihrem langen braunen Haar, ihren Schamhaaren und Augenbrauen sah er Raureif und Eisperlen glitzern. An ihren Zehen hingen kleine Eiszapfen, die fast – aber nur fast – die Baumwurzeln berührten.
    Ihre Arme waren über dem Kopf etwa einen Meter weit gespreizt, beide Handgelenke von langen Nägeln durchbohrt.
    Sie war an den Nägeln aufgehängt.
    An den Stellen, an denen ihre Haut nicht rostrot verbrannt war, hatte sie sich blauweiß verfärbt.
    Er hatte sie mit einem dürren Ast bearbeitet.
    Den hatten sie schon eingetütet. Der Ast war etwa einen Meter lang. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, alle Zweige davon abzuschälen. Der Ast war blutbefleckt, Fetzen menschlichen Fleisches klebten an seinem schartigen Holz.
    Er hatte sie auch mit Streichhölzern bearbeitet.
    Duggan war nie einer von den Cops gewesen, die behaupteten, schon alles gesehen zu haben. Er wusste, dass die Menschen einen immer wieder überraschen konnten – dass die Taten mancher Menschen über seine schlimmsten Alpträume hinausgingen. Er hatte die blutigen Resultate von häuslicher Gewalt, Trunkenheit am Steuer, bewaffnetem Raubüberfall und jeder anderen Sorte mörderischer Dummheit gesehen, aber etwas wie das hier war ihm tatsächlich noch nie unterkommen. Er betete zu Gott, dass er so etwas nie wieder sehen musste.
    Er trat die Newport aus, hob die Kippe auf und schob sie in seine Tasche.
    Jetzt stank er wieder wie ein Aschenbecher.
    Noch ein Grund, endlich damit aufzuhören.
    Als Erstes musste er so viel wie möglich über das Leben und den Tod dieser Frau in Erfahrung bringen. Mit etwas Glück hatte zufällig irgendwer gesehen, wie sie mit irgendwem, den er oder sie kannte, ins Auto gestiegen war. Wenn er Glück hatte, würde ihm irgendjemand im Verhör verdächtig vorkommen. Bis dahin jedoch würde er versuchen müssen, sich ein genaues Bild von ihren Todesqualen zu machen und sich in denjenigen hineinzuversetzen, der fähig gewesen war, ihr all das anzutun. Er würde sie wieder und wieder ansehen müssen, ihre Leiche im Leichenschauhaus ebenso wie die Fotos. Immer wieder.
    Wie konnte man sich einen Nagel vorstellen, der in einem Handgelenk steckt?
    Schwarz verkohlte Haut?
    Schläge, die so heftig waren, dass das rohe Fleisch zum Vorschein trat?
    Wer konnte sich solche Grausamkeiten vorstellen?
    Als sie die Lichtung hinter sich ließen und sich ihren Weg durch das dichte Dornengestrüpp zurück zu den Autos bahnten, unterhielt er sich mit Whoorly, der die niederschmetterndste Hypothese überhaupt aufstellte: Dass es sich bei dem Täter womöglich um jemanden auf der Durchreise handelte. Um jemanden, der sie am Straßenrand aufgelesen und mit einer Schusswaffe bedroht hatte. Der dann mit ihr hier herausgefahren war, einfach weil die Gegend einsam und verlassen genug für seine Zwecke gewesen war.
    Was bedeutete, dass sie ihn vermutlich niemals finden würden.
    »Serienmörder sind so«, meinte er. »Die fahren einfach in der Gegend rum, weißt du? Von Ort zu Ort.«
    »Dann hat er sich aber ’ne verdammt gute Stelle ausgesucht«, gab Duggan zurück.
    »Wieso?«
    »Na, dieser Wald hier. Im Winter kommt kein Mensch hier raus. Der Naturschutzpark ist nicht weit von hier, und die Leute fahren doch lieber dorthin, wenn sie im Winter wandern gehen wollen. Hätte der Hund sie nicht gewittert, hätten wir sie womöglich erst nach Wochen gefunden. Oder Monaten.«
    »Du glaubst also, dass er schon vorher hier war?«
    »Könnte sein.«
    Gleich hinter dem Hügelkamm, ungefähr eine Dreiviertelmeile entfernt, lag das Haus der Familie Danse. Er dachte daran, wie er sich damals während des Buschfeuers auf die Suche nach Arthur gemacht hatte, ihn aber nicht gefunden hatte. Der Junge war später am Abend aufgekreuzt und hatte behauptet, irgendwo an der Straße nach Rumney eingeschlafen zu sein.
    Duggan hatte ihm kein Wort geglaubt.
    Es war gut möglich, dass Ruth oder Harry irgendwas gesehen oder gehört hatten. Außerdem lagen die Häuser der Familien Hurley und Wingerten in dieser Richtung.
    Da würde er anfangen.
    »Weißt du was, Al?«, sagte Duggan.
    »Was?«
    »Ich glaube, er ist von hier. Wir müssen natürlich in alle Richtungen ermitteln, aber ich denke, er kommt aus der Gegend. Er ist auf keinen Fall ein Stadtmensch, dazu kennt er sich in den Wäldern viel zu gut aus.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Er hat die Nägel gerade und schnell eingeschlagen. Das braucht Übung. Er hat gutes, biegsames Birkenholz ausgesucht. Und

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