Wahrheit (Krimipreis 2012)
retten?«
»Wenn es kommt, mein Junge, kann nur der liebe Gott die Bäume retten.«
»Hab dich noch nie seinen Namen in den Mund nehmen hören.«
»Nur ’ne Redensart. Mach ›Weihnachtsmann‹ draus.«
»Ich ruf wieder an«, sagte Villani. »Geh an das verdammte Telefon, klar?«
»Jawohl, Chef.«
Sein Handy klingelte.
»Ich komm nach Hause«, sagte Corin, atemlos. »Und Lizzie
kommt gerade mit so einem … Wesen raus, er ist alt, dreckig, Rastalocken, Tattoos im Gesicht, zwischen den Augen, und sie hat eine Tasche und … Dad, mein ganzes Geld ist weg, vierhundertfünfzig Dollar, und mein iPod und mein Perlenanhänger und meine silbernen Armbänder, sie hat auch Mums Sachen durchwühlt, keine Ahnung, was sie hat mitgehen lassen …«
»Halt«, sagte Villani. »Hör auf.«
Er hörte ihren raschen, stoßweisen Atem.
»Und jetzt atmen wir ein paarmal tief durch«, sagte er.
»Okay … ja.«
»Also. Langsam ein-, langsam ausatmen. Und noch mal. Ein…«
Das machten sie viermal, er hörte, wie sie ruhig wurde.
»In Ordnung«, sagte sie. »Ich bin jetzt drüber hinweg. Ich bring das kleine Miststück um.«
Sie war teils ihre Mutter, teils Villani. Bob wäre stolz auf sie, das mit dem Umbringen hätte ihm gefallen, er wusste, wann es Zeit war, etwas umzulegen, er brachte den alten Hund weg und erschoss ihn, vergrub ihn, sie fanden nie heraus, wo.
»Schatz, ich möchte, dass du da wartest«, sagte er. »Jemand wird bald klingeln. Beschreib ihnen Lizzie, ihre Kleidung, den Typ, alles, was helfen könnte, sie auf der Straße, in einer Menschenmenge zu finden. Die Tasche, die sie dabeihat, vergiss die Tasche nicht.«
»In Ordnung«, sagte Corin forsch, hatte die Fassung wiedergewonnen. »Gut. Soll ich Mum anrufen?«
»Zuerst fangen wir Lizzie wieder ein, hat keinen Sinn, deine Mum in Darwin kopfscheu zu machen. Wo immer sie ist.«
»In Cairns, Dad. Cairns.«
»Ich notier mir das. Du solltest nicht so viel Bargeld rumliegen lassen, das ist nicht klug.«
»Wow, danke, Dad. Ich notier mir das.«
»Hast du versucht, Lizzie anzurufen?« Ihm wurde klar, dass er Lizzies Handynummer nicht hatte.
»Ihr Handy ist nie an«, sagte Corin. »Außerdem will ich nicht mit ihr reden. Ruf du sie doch an.«
»Gib mir die Nummer.«
»Hast du die nicht?«
»Irgendwo. Gib sie mir.«
Villani schrieb sie auf eine Karte, steckte sie in sein Portemonnaie. »Warte auf den Anruf, Liebes«, sagte er. Er tippte Lizzies Nummer ein. Teilnehmer nicht erreichbar.
Eine Weile saß er nur so da. Man konnte das nicht wie ein Zivilist angehen, man brauchte die Brüder. Er überschlug den Preis, gab die Nummer ein, nannte seinen Namen.
Vickery meldete sich, die raue Raucherstimme. »Stevo. Was kannst du für mich tun, Jungchen?«
Villani erzählte die Geschichte.
»Diese Scheiße lässt keinen ungeschoren«, sagte Vickery. »Ich werd’s weitergeben. Jemand wird deine Kleine bald anrufen. Nummer?«
»Ich schulde dir was«, sagte Villani, als er ihm Corins Handynummer gegeben hatte.
»Kumpel, wir alle schulden einander was«, sagte Vickery. »Brüder, in guten wie in schlechten Zeiten. Das weißt du doch, oder?«
Er sprach von ihrem Treffen, bei dem es um Greg Quirk gegangen war.
»Und ob. Rufst du mich direkt an?«
»Gib mir die Nummer.«
Villani gab sie ihm.
»Wir sollten uns mal auf ein kühles Blondes treffen, du und ich und die anderen alten Genossen«, sagte Vickery.
»Das machen wir«, sagte Villani.
Das Telefon, Tomasic, auch eine raue Stimme.
»Chef, zu der Fensterspiegelung, die Techniker haben zwei Ziffern vom Kennzeichen des Prado.«
»Ich schalte Sie rüber«, sagte Villani. »Nicht weggehen.«
Er drückte Tasten. »Ange, nehmen Sie mir Tomasic ab, und geben Sie mir Tracy.«
Pause.
»Trace, Tommo hat zwei Ziffern des Kennzeichens für den Oakleigh-Prado. Eine kleine Chance für uns.«
»Bin schon dabei, Chef«, sagte sie mit leicht freudig erregter Stimme.
Als er sich zurücklehnte, den Adrenalinschub spürte, hatte er kurz das Gefühl, auf Singos Platz zu gehören: Stephen Villani, Chef des Morddezernats. Jemand, der es verdient hatte, Chef des Morddezernats zu sein.
Kurz.
T racy in der Tür, strahlend.
»Chef, die Ziffern, ein Prado auf der Mautstraße, die Zeit stimmt. Zugelassen auf einen James Heath Kidd, Cloke Street 197, Essendon.«
Tracy war klug, überarbeitet, keine eingeschworene Polizistin. Sie könnte jederzeit woanders arbeiten. Er befürchtete, sie könnte es auch wollen. Sie hatte
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