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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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Luke sahen fern, mit Schneegestöber auf dem Bildschirm. Villani bastelte am Küchentisch ein Modellflugzeug. Er hörte den Truck, als der noch fünf Kilometer weit weg war, hörte, wie Bob runterschaltete, als er den Camel Hill hochfuhr, das Rattern der Motorbremse, als der Truck auf dem steilen Hang vor dem Abzweig von der Hauptstraße langsamer wurde. Und dann die Hupe, ein langer und einsamer Ton in der beißend kalten Nacht.
    Er ging, um das Tor zu öffnen, wartete zitternd im Dunkeln, die Zugmaschine bog um die Ecke, hoch wie ein Haus. Sie wurde langsamer, schob sich durch das Tor, hoch über ihm aufragend, er schloss das Tor, ging die Auffahrt runter.
    Bob war aus der Kabine gestiegen, streckte sich.
    »Wo ist Mark?«, fragte er.
    »Da ist eine Frau«, sagte Villani. »Ellen. Mit einem Kind.«
    Schweigen. Bob fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.
    In tiefster Nacht weckte ihn Lärm aus dem Zimmer seines Vaters. Er dachte, sein Vater brächte Ellen um. Es war das erste Mal, dass er Fickgeräusche hörte.
    Mark wurde wach. »Was ist das?«, fragte er. »Stevie, was ist das?« Er war ein ängstlicher Junge.
    »Gar nichts«, sagte Villani. »Sie hat einen schlimmen Traum. Leg den Kopf unters Kissen.«
    Montagmorgen brachte Bob Villani ihn und Mark im Truck
zur Schule, sie fühlten sich wie Götter, schauten auf winzige Pkws und Pick-ups hinunter.
    »Bleiben sie, Dad?«, fragte Mark.
    »Wir werden sehen«, sagte Bob. »Behalt Tomboy im Auge, Steve. Er frisst zu viel.«
    Als sie ausstiegen, streckte Bob den Daumen in die Höhe und sagte zu Villani seinen üblichen Spruch: »Weitermachen, Stabsfeldwebel.«
    Am Freitag, als Luke schlief, ging Ellen zum Farmtor, ein Handwerker nahm sie mit nach Paxton. Man hörte nie wieder von ihr, jedenfalls die Jungs nicht – kein Brief, keine Postkarte. Als Villani und Mark von der Schule nach Hause kamen, wand sich der Junge auf seinem Bett, heulte Rotz und Wasser.
    Bob Villani sah Luke an, Wochen nachdem dessen Mutter des Weite gesucht hatte, und sagte: »Und der verfluchte Taxifahrer glaubt, ich schulde ihm sechzig Piepen, weil er sie nach Stanny gebracht hat.«
    Villani kam die Idee, dass er sich genau wie sein Vater verhalten hatte, als er nie einen Gedanken daran verschwendet hatte, Vater zu sein. Alles an ihm stammte von Bob: die großen Hände, die Haare, wie er Verantwortung delegierte, die Augen, mit denen er sämtliche Dinge durch ein Fadenkreuz sah. Alles außer dem Mut. Den hatte er nicht. Er hatte gelernt, so zu tun, als wäre er mutig, weil Bob Villani das von ihm erwartete, es für selbstverständlich hielt. Villani war Polizist geworden, weil es ihm an Mut mangelte, er hatte angefangen zu boxen, weil es ihm an Mut mangelte.
    Mach nie einen Schritt zurück, mein Junge. Ist nicht gut für die Seele.
    Sein Leben lang hatte Bob Villanis schrecklicher Satz auf ihm gelastet.
    Villani hob den Kopf. Vor seinem Auto stand Winter, streckte den Kopf vor, spähte ins Wageninnere.

    Er stieg aus.
    »Hab mir schon Sorgen gemacht, Chef«, sagte Winter, ein spindeldürrer Mann mit Schnurrbart, den er sich wachsen ließ, um ein unberechenbares Zucken seiner Oberlippe zu verdecken, eine Art Kurzschluss zweier Nerven, die zu dicht beieinanderlagen, sodass ein Spannungsbogen entstand.
    »Hab meditiert«, sagte Villani. »Bin in mich gegangen, sollten Sie auch mal probieren.«
    Im Aufzug sagte er: »Kommen Sie nach Hause, ehe die Kids eingeschlafen sind?«
    »Ich versuch’s, Chef, klar.«
    »Nun, immer dran denken, dass unsere Klienten die Toten sind«, sagte Villani. »Wir sind die Lebenden. Auch wenn es sich nicht immer so anfühlt.«
    »Ich bemühe mich, immer am Ball zu bleiben, Chef.« Winter sah ihn nicht an.
    »Ein Ziel, das hier zusehends aus dem Blickpunkt gerät«, sagte Villani.
    Sie waren oben, Winter blieb zurück. Er war Singos letzter Rekrut, ein unerfahrener Detective der neuseeländischen Kripo. Singo hatte gegen die Vorschrift verstoßen, dass das Morddezernat nur erfahrene Detectives einstellen sollte. Erfahrene Detectives brachten schon eine gewisse Einstellung mit. Singo wollte Leute, in denen er eine Einstellung installieren konnte. Seine.
    An seinem Schreibtisch das Getriller, die eingehenden Papiere. Bald hatte er zwei Anrufer in der Warteschleife, zwei Leute warteten vor der Tür. Der Vormittag verging, um elf Uhr dreißig stand er am Fenster und aß ein Salatbrötchen, rief dabei Laurie an. Wo auch immer sie sein mochte, Darwin, Cairns, Port Douglas, sie

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