Wahrheit (Krimipreis 2012)
Cashin geliebt, jeder wusste das, Cashin wusste das, und es hatte Cashin Angst gemacht.
»Ein wahrscheinlicher Kandidat«, sagte Villani. »Werfen wir einen Blick auf sein Domizil.«
»Gewöhnliches Haus mit Garage, Schuppen, das Übliche.«
»Krieg ich vielleicht mal die Gelegenheit, etwas zu veranlassen? «, sagte Villani. »Um das Gefühl zu haben, ich wäre das Hirn dieser Abteilung?«
Sie lächelte ihr schiefes Lächeln, ging. Birkerts tauchte auf.
»Cloke Street von oben, Detective«, sagte Villani. »Hoch und in angemessener Entfernung, unterwegs nach anderswo. Wenn sie das Arschloch erschrecken, werden sie über dem Hume Highway Patrouille fliegen, bis sie in Rente gehen.«
Birkerts neigte den Kopf.
»Und die Heilsarmee soll sich da mal umschauen«, sagte Villani. »Ein paar Minuten, kein langes Rumdödeln.«
Er saß eine Zeit lang da und las die aktuellen Berichte. Es brachte nichts, mehr Hektik als nötig zu erzeugen. Spar dir
eine gewisse Aufgeregtheit für die Wiederkunft des Erlösers auf. Singleton. Die Stimme seines Herrn.
Dann ging er zu Tracys Schreibtisch, stand hinter ihr. Sie schaute auf einen Monitor, Handgelenke erhoben, die Hände baumelten über der Tastatur. Sie hatte lange Finger. Ihre Finger waren ihm noch nie aufgefallen. Sie schaute ihn an, in dem Licht sah man den Flaum auf ihrer Oberlippe.
»Was ist?«, sagte sie.
»Schicken Sie ihn durch alle Datenbanken?«
»Natürlich, Inspector.«
Villani ging zurück, betrachtete den großen Raum – die aufgehängten Jacken, unter Akten begrabene Schreibtische, Kartons, gestapelte Eingangskörbe, auf Ordnerbergen abgestellte Becher, auf Monitore starrende Schädel unter Bürstenhaarschnitten. Wie aus einem Grab tauchte eine Hand auf und zog einen gepunkteten Becher nach unten.
Zehn Jahre, wie viele Stunden hatte er hier verbracht, Sechzehn-Stunden-Tage? Würde sich seine Tochter jetzt mit Abschaum auf der Straße herumtreiben, wenn er ein anderes Leben geführt hätte, das gewöhnliche Leben eines Zivilisten? Man ist gegen sechs zu Hause, kontrolliert die Hausaufgaben, guckt die Nachrichten, beteiligt sich beim Kochen, isst gemeinsam, redet über alles Mögliche, was in der Schule passiert, was man vorhat. Am nächsten Wochenende hievt ihr eure Hintern aus dem Bett, dann bring ich euch bei, wie man surft, ein Experte hat’s mir beigebracht, jetzt wird euch ein Experte dieses Wissen weitergeben.
Er bemerkte, dass man ihn ansah, bemerkte die schale Luft, das Murmeln, irgendwo das Geräusch von laufendem Wasser – vielleicht war eine Klospülung defekt, eine Klimaanlage kaputt, durchweichten die Sprinkler einer Feuerlöschanlage die Büros über ihnen.
Er ging zurück und rief Kiely an.
»Inspector«, sagte er, »treffen Sie Vorbereitungen, um alle
verfügbaren Mächte des Überwachungsstaats gegen diesen Kidd einzusetzen – inklusive Familie, Freunde, Hunde etcetera. «
»Inspector.«
»Aber behutsam. Sollte der Wichser Lunte riechen …«
»Ich habe so etwas schon durchgeführt.«
»In Neuseeland«, sagte Villani. »Hier geht’s nicht um geheimnisvolle Schafmorde.« Zu weit gegangen – viel zu weit, Bedauern. »Ein schlechter Scherz. Keine Schafwitze mehr. Versprochen.«
»Kein Problem«, sagte Kiely. »Das gleitet an einem ab. Man weiß, dass nur Blödmänner ständig welche reißen.«
»Wow«, sagte Villani. »Ein Schlag gegen den Hals. Mit so einem Schlag könnten Sie glatt einen großen wolligen Widder zu Boden strecken.«
Er rief Barry an.
W ir glauben, wir haben in Oakleigh ein Fahrzeug, Chef.« Barry sagte: »Junge, erzählen Sie mir, dass es viel mehr ist, als ihr glaubt.«
»Wir haben zwei Ziffern des Nummernschilds eines weißen Prado von einer Überwachungskamera. Wir haben einen passenden weißen Prado auf der Mautstraße vierzig Minuten später. Die Zeit stimmt.«
»Und Sie kennen den Namen des Fahrzeughalters?«
»Jawohl, Sir. Was nicht heißt, dass er der Fahrer ist.« Barry sprach mit jemandem, der bei ihm im Zimmer war. Villani hörte nicht, was er sagte.
»Wie heißt er?«, fragte Barry.
»Kidd. James Heath Kidd.«
»James Heath Kidd. Na, das ist vielversprechend«, sagte Barry. »Mr. Colby schon informiert?«
»Als Nächstes, Chef.«
»Warum warten Sie nicht ein paar Minuten, Stephen? Zehn. Das ist eine gute Wartezeit.«
»Wir brauchen eventuell in wenigen Minuten Paragraf siebenundzwanzig von ihm. Ausnahmegenehmigung.«
»Klar. Dann tun Sie das.« Barry gab eine Art Gurgeln von sich. »Sie
Weitere Kostenlose Bücher