Wahrheit (Krimipreis 2012)
allen Nahtstellen des Tages musste er an sie denken, was ihm bei anderen Frauen nicht passiert war, nicht seit der Anfangszeit mit Laurie. Was sah sie in ihm? Manche Frauen standen auf Cops, das hörte man zu Beginn der Ausbildung, die Witze. Es war etwas Wahres dran. Sogar die hässlichen Polizisten bekamen die Gelegenheiten, die Blicke, die Angebote. Er hatte sich da nichts vorzuwerfen, ging nie mit in das Haus einer alleinerziehenden Mutter, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war, zum Service gehörte ein Fick. Ein Trostfick.
Im Dienst sagte ihm immer irgendeine Stimme Nein. Wenn er nicht im Dienst war, sagte eine Stimme Ja.
Die Polizeireporterin der Herald Sun stand auf Cops. Bianca Pearse. Bianca war aber keine Starfickerin. Sie vögelte genausogern mit einem Constable wie mit einem Polizeichef. Nur eine Copfickerin. Birkerts hatte es hinter sich, da war er sich ziemlich sicher.
Er hatte nicht das Gefühl, als stünde Anna auf Cops. Sie erkundigte sich nicht nach seinem Job, was sie sonst immer machten. Sie schien an dem interessiert zu sein, was er dachte, glücklich zu sein, wenn sie mit ihm zusammen war.
Es war lächerlich. Er war zu alt, um so etwas an sich heranzulassen. Das war etwas für die Zwanzig- bis Dreißigjährigen, ein naiver Dödel vom Land mochte sich geschmeichelt fühlen, wenn sich Miss-Privatschule-mein-Vater-ist-Investmentbanker für ihn interessierte.
Er sah sich Kidds Grill in der Balkonecke an. Schmal, rostig, der Grillrost von verkohlten Fettresten und winzigen angeschweißten Fleischbröckchen überkrustet. Kein Ozzie Grillmaster Turbo. Hatten sie an jenem Abend vielleicht einen Grillabend? Ein paar Bier, zwei Steaks ankokeln, reinpieksen, die blutigen Einstichstellen, dann der wässrige rote Ausfluss. Hatten Sie darüber gesprochen, was sie mit den Ribaric-Jungs machen würden? Besprochen, wie sie die Haare der Ribarics abbrennen würden, zuerst die Schamhaare. Voller Öl, die würden brutzeln.
Dann ihre Kopfhaare. Aber vorher noch die Nasenlöcher aufschlitzen. Dann ihre Kopfhaare anzünden.
Haare voller Chemiemist. Produkte. Vor Ivans Gesicht das Feuerzeug anklicken. Ihm in die Augen sehen. Sich einen Moment Zeit lassen. Es genießen. Die Flamme über seine Stirn heben. Langsam.
Zisch .
Unter dem Gasbrenner stand eine Schale aus Alufolie, halb voll mit gehärtetem, festem Fett, grau, wie Marmor gemasert, von dem brennenden Altar getropft.
Birkerts kam nach draußen, Hände in den Taschen.
»Tja, Schlafzimmer sind sauber«, sagte er. »Da bleibt nicht mehr viel.«
Die Techniker kamen in die Küche, diskutierten. Der kleinere kniete sich achselzuckend hin und richtete sein Gerät auf die Seite der Küchenbank. Der andere betrachtete den Laptopschirm.
»Man sieht gleich, warum die beiden ein Team sind«, sagte Birkerts. »Adrenalinjunkies.«
»Kirstens Wohnung«, sagte Villani.
»Hab die Schlüssel in meinem Wagen.«
»Bringst du mich hin, wenn du Schluss machst?«
»Ich glaube, ich geb dir einfach die Schlüssel«, sagte Birkerts.
Sie rauchten Birkerts’ Zigaretten, sahen zu, wie die Techniker um die Küchenbank herumgingen. Als sie fertig waren, kam der größere heraus.
»Nichts, Chef«, sagte er. »Noch irgendwo anders?«
»Schon das Bad überprüft?«
»Jawoll.«
»Kacke«, sagte Villani.
»Das war’s«, sagte Birkerts. »Danke sehr.«
Die Männer packten zusammen, klappten ihre Koffer zu, winkten, gingen.
S ie waren unterwegs nach Oakleigh, kamen am Albert-Cricketplatz vorbei.
»Wie hoch ist die Miete?«, fragte Villani.
Es war ihm egal. Seit er zweiundzwanzig war, hatte er nicht mehr allein gelebt. Es war ein schlechter Zeitpunkt, um das zu ändern. Er und Laurie hatten immer im selben Bett geschlafen. Als alles aus und vorbei war, als sie einander nicht mehr berührten, teilten sie immer noch ein Bett. Wer als Letzter darin gelegen hatte, machte es, so war die Regel, von Anfang an.
Er träumte oft von Sex mit Laurie. Sie war immer gleich alt, das flinke Mädchen in dem Sandwichimbiss, das die Zutaten auf die weiße Scheibe schichtete, die Eisbergsalatstreifen, die blassen Tomatenscheiben, die blutende Rote Bete, das Quadrat Fabrikkäse, das freche Mädchen, das ihn ansah und sagte: »Darf es sonst noch etwas sein?«
Der erste Sex mit Laurie fand auf dem Futon ihrer Freundin Jan statt. Laurie holte ihn nach seiner Schicht ab, sie aßen im Waiters’ Club, die kleinen Räume voller nächtlicher Esser, und fuhren ins Studentenwohnheim nach Clifton
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