Wahrheit (Krimipreis 2012)
sagte Villani.
»Dieselbe Schule besucht«, sagte Dove. »Das St. Thomas College. Genau wie Curlew und dieser Robert Hunter. Alle derselbe Jahrgang.«
»Ist das wichtig?«
»Ich weiß nicht, was wichtig ist, Chef.«
»Ich mag einen wachen, unvoreingenommenen Verstand. Ein leeres Hirn macht mir Sorgen. Wer ist Hunter?«
»Direktor von St. Thomas.«
»Ja?«
»Brody, Bricknell, Curlew, Simons und Jourdan stehen alle auf der Gästeliste der Kasinoparty.«
»Zweifellos waren dort auch zahlreiche Personen, die der Polizeichef in der Kurzwahl hat«, sagte Villani. »A-Promis. Ich hab neulich abends etliche von ihnen im Persius gesehen. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?«
Dove berührte seinen Oberkörper, unter dem rechten Brustmuskel, mit einem Finger, ein leichtes, sanftes Reiben, das würde er zeitlebens machen.
»Kriegen wir ihre Telefonverbindungsnachweise?«
»Mit welcher Begründung?«
»Tja.«
»So geht die Bundespolizei vor«, sagte Villani. »Jedes Telefonat, von jedem, jederzeit, egal, wie sehr die Begründung an den Haaren herbeigeholt ist. Nein, mein Junge. Hier vertreten die Richter die Ansicht, eher sollten Mörder frei herumlaufen, als dass die Telefonverbindungsnachweise eines einzigen Unschuldigen überprüft werden.«
»Wie ist Ihre Einstellung dazu, Chef?«, fragte Dove.
»Ich habe keine Einstellung. Wenn jemand im Morddezernat so fehlgeleitet ist, dass er inoffizielle Kanäle benutzt, bekommt er den Marschbefehl. Birkerts stand im Verdacht, so was zu tun.«
Dove lächelte. »Tatsächlich?«
»Tatsächlich. Ich glaube, wir konnten nachweisen, dass Koenig Nutten mag«, sagte Villani. »Mr. Phipps hat eine gesehen, die zufällig unserem Opfer ähnelte. Daraufhin haben wir umfangreiche Ermittlungen angestellt, die in einigen Sackgassen mündeten. Wie das bei umfangreichen Ermittlungen nun mal zwangsläufig der Fall ist.«
»Ja?«, sagte Dove.
»Im Laufe von Ermittlungen treten Informationen zutage, die nicht weiterhelfen, aber für manche Leute peinlich sind.«
»Ja?«
»Diese Informationen kommen in den Giftschrank. Ist das klar?«
Dove schaute an die Decke, interessiert, wie jemand, der das Himmelszelt betrachtete, ein Sternenforscher. »Könnte nicht klarer sein, Chef«, sagte er.
Es klopfte, Weber trat ein, mit unschuldiger Miene, verlegen, trat von einem Fuß auf den anderen.
»Willkommen«, sagte Villani. »Sie habe ich schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen, Detective. Sprechen Sie frei von der Leber weg.«
»Bin unterwegs gewesen, Chef. Hab mit allen bei Prosilio über die fragliche Zeit geredet. Nichts. Außerdem die Vorstrafen der Mitarbeiter überprüft. Sauber, nur Geschwindigkeitsübertretungen, ein paar Jugendstrafen, solche Sachen.«
»Das ist vielversprechend«, sagte Villani. »Das ist großartig. «
Schuldbewusst, zerknirscht betrachtete Weber den grauen, für den öffentlichen Dienst typischen Teppichboden.
»Was ist mit dem Eigentümer des Apartments?«
Weber sah Dove an.
»Dazu kommen wir gerade«, sagte Dove. »Shollonell, diese libanesische Firma, hat es vor einem halben Jahr gekauft. Direktoren sind Mr. und Mrs. Ho aus Hongkong. Endsiebziger, Mr. Ho sitzt im Rollstuhl. Dem Prosilio-Housekeeping ist
inzwischen eingefallen, dass sie damals alles vorbereitet hatten, Betten, Champagner, für den Fall, dass die beiden unangekündigt eintreffen sollten. Aber sie trafen nie ein.«
Villani merkte, wie dumpf sich sein Hirn anfühlte, wie sehr seine Knöchel, seine Knie, seine Schultern, sein Nacken schmerzten. »Ich neige dazu, die Hos auszuschließen. Rein intuitiv.«
Das Telefon.
»Chief Commissioner Gillam für Sie, Inspector.«
»Ja.«
»Stephen?«
»Commissioner.«
»Gutes Resultat bei Metallic, durchaus. Wie sich herausgestellt hat. Möglicherweise ein besseres, als wenn die SOG in Kidds Apartment eingedrungen wäre.«
»Der mögliche Schusswechsel«, sagte Villani. »Der mögliche Verlust von Einsatzkräften. Der mögliche Kollateralschaden an Unschuldigen.«
Gillam hustete. »Solche Sachen, ja. Also, gut gemacht. Der Minister wird zufrieden sein.«
Villani legte auf, schaute auf seine Uhr. »Ich verlasse das Gebäude jetzt«, sagte er. »Mein Arbeitstag ist vorbei. Ich verlasse Sie mit dem Hinweis, dass wir, also wir drei und folglich die gesamte Scheißabteilung und die gesamte Scheißpolizei, dass wir das Prosilio-Mädchen im Stich gelassen haben.«
Beide Männer sahen zu Boden, Weber nickte.
Singleton wäre wirklich stolz.
»Und
Weitere Kostenlose Bücher