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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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blickt mich an, ausdruckslos. »Nein. Ich hab zu tun.«
    »Was denn?«
    Als er mich plötzlich wütend anschnauzt, schrecke ich auf dem Beifahrersitz zusammen. »Verdammt noch mal, Delia, ich bin gerade sechshundert Meilen für dich durch die Gegend kutschiert, ohne daß du auch nur ein einziges richtiges Wort mit mir gesprochen hast.«
    Hitze steigt mir in die Wangen. »Das tut mir leid. Ich dachte ...«
    »Was? Daß ich nichts Besseres zu tun habe? Daß ich kein Leben habe? Daß ich mir nicht die ganze Zeit, wenn wir zusammen sind, wünsche, ich würde das hier tun?« Seine Hände umschließen rechts und links mein
    Gesicht, und er zieht mich an sich. Als sein Mund sich fest auf meinen legt, fühlt es sich brutal an, und bitter. Seine Bartstoppeln hinterlassen ein Zeichen auf meiner Haut, wund und brennend.
    Er ist nicht Eric, und daher sind unsere Lippen nicht vertraut miteinander. Er ist nicht Eric, und daher stoßen unsere Zähne aneinander. Er hält meinen Hinterkopf umfaßt, als hätte er Angst, ich würde mich losreißen. Mein Herz schlägt so fest, daß ich es auf einmal an vergessenen Stellen spüre: hinter den Augen, tief in der Kehle, zwischen den Beinen.
    »Mommy?«
    Fitz läßt mich sofort los, und wir beide drehen uns zu Sophie um, die uns neugierig betrachtet. »Oh Gott«, murmelt er.
    »Sophie, Schätzchen«, sage ich rasch, »du träumst.« Ich taste nach dem Türgriff und steige aus dem Wagen, dann greife ich auf den Rücksitz und ziehe meine Tochter in meine Arme. »Ist das nicht komisch, was wir alles so sehen, wenn wir schlafen?«
    Sie sinkt schlaff an meine Schulter, während Greta aus dem Wagen springt. Inzwischen ist auch Fitz ausgestiegen. »Delia-«
    Im Trailer geht Licht an, und die Tür öffnet sich. Eric, mit nacktem Oberkörper und in Boxershorts, kommt die Aluminiumstufen herunter. Er nimmt mir Sophie aus den Armen, wir sind ein eingespieltes Team.
    Bevor wir etwas zueinander sagen können, durchschneidet das Motorengeräusch von Fitz' Wagen die Nacht. Er fährt davon, wirbelt eine Wolke aus Staub und Erde auf.
    »Ruthanns Schwester hat angerufen, sie wollte wissen, ob du gut nach Hause gekommen bist«, sagt
    Eric leise, damit Sophie nicht aufwacht. »Sie hat mir
    erzählt, was passiert ist.« Ich folge ihm in den Trailer, warte, bis er Sophie in unser Bett gelegt und sie zuge-deckt hat. Er schließt die Tür des kleinen Schlafzim-mers und legt dann die Hände auf meine Schultern.
    »Geht's dir gut?«
    Ich würde ihm gern von dem Hopi-Reservat erzählen, von dem rissigen Boden, der unter den Füßen wegbröseln kann, von Eulen, die die Zukunft bestimmen können. Ich würde ihm gern schildern, wie es ist, wenn man mit ansieht, wie eine Frau zwanzig Stockwerke in die Tiefe stürzt und gleichzeitig sieht, wie ein Schneesturm in Form ihres Körpers langsam in den Himmel steigt.
    Ich würde mich gern entschuldigen.
    Doch statt dessen merke ich, wie meine Beine ein-knicken. Eric setzt sich mit mir in den Armen auf den Boden des Trailers. Er läßt mich alle meine Worte für mich behalten.
    »Dee«, sagt er nach einer Weile, »versprichst du mir was?«
    Ich weiche zurück, frage mich, ob er genau wie Sophie gesehen hat, was vorhin im Wagen geschehen ist. »Was?«
    Er schluckt schwer. »Daß ich nicht so ende wie deine Mutter.«
    Mein Herz zieht sich zusammen. »Du fängst nicht wieder an zu trinken, Eric.«
    »Das hab ich nicht gemeint«, sagt er. »Ich meinte, dich zu verlieren.«
    Eric küßt mich so zärtlich, daß ich zerschmelze. Ich erwidere den Kuß, versuche, die gleiche tiefe Überzeugung zu finden. Ich erwidere den Kuß, obwohl ich Fitz
    noch schmecken kann, wie eine gestohlene Süßigkeit, verborgen in meiner Wange, süß, wenn ich es am wenigsten erwarte.

SIEBEN
    »Das habe ich getan«, sagt mein Gedächtnis.
    »Das kann ich nicht getan haben«, sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich - gibt das Gedächtnis nach.
    FRIEDRICH NIETZSCHE, Jenseits von Gut und Böse, Viertes Hauptstück: Sprüche und Zwischenspiele

ANDREW
    »Trink das«, sagt Concise und hält mir eine Shampoo-flasche unter die Nase.
    Ich blicke ihn an, als wäre er verrückt. »Von wegen. Davon wird mir nur schlecht.«
    »Ja, klar, du Idiot. Alle wollen wissen, wo die Patrone geblieben ist. Du willst doch nicht warten, bis nie am anderen Ende wieder rauskommt.«
    Nach dem Kampf auf dem Hof wurde Sticks ins Krankenhaus gebracht. Mein Blasrohrgeschoß muß ihm aus dem Auge operiert werden. Anschließend wird

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