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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Bogen um ihn machen, ohne zu ahnen, daß auch auf den Mann mit der harten Sprache und dem geschorenen Kopf zu Hause ein kleiner Junge wartet.
    Die Leute, die in der Zeitung lesen, daß ich meine Tochter entführt habe, halten mich bestimmt für ein Monster.
    Ich streiche mir mit den Händen über die Kopfhaut - stoppelig, jetzt wo die Haare wieder nachwachsen. »Es war das Phosgengas«, sage ich zu ihm.
    »Hä?«
    »Was deinen Freund umgebracht hat. Bei der chemischen Reaktion, die für die Herstellung von Metham-phetamin notwendig ist, entsteht ein tödliches Gas. Wenn du die Schläuche falsch miteinander verbindest, stirbst du.«
    Concise blinzelt mich an. »Hast du das Zeug auch schon zusammengekocht?«
    »Nein. Aber ich hab Chemie studiert.« Ich setze mich und bedeute ihm, mir das Notizbuch zu geben, das er in der Hand hat. Ich reiße hinten eine Seite raus und dann suche ich unter meinem Kopfkissen nach einem Bleistift - der so spitz ist, daß er eine gute
    Waffe abgibt, wenn man sie im Schlaf in der Hand hält.
    Ich brauche nur einige Minuten und mehrere Korrekturen, dann habe ich die Reaktionen notiert und reiche Concise das Rezept. »Such dir einen neuen Freund. Das hier funktioniert.«
    »Kommt gar nicht in Frage. Ich zieh dich da nicht mit rein. So bist du nicht.« Er zerknüllt den Zettel und wirft ihn auf den Zellenboden.
    Wer ich bin, und wozu ich imstande bin, hat mich immer wieder verblüfft. Ich denke an den Tag, an dem ich mit dir geflohen bin; daran, wie ich mit dir zu einem Diner gefahren bin, wo du dir jeden Nachtisch bestellen durftest, den du wolltest, damit du nur Gutes über mich dachtest, bevor du anfangen konntest, nur noch Schlimmes über mich zu denken.
    Ich hebe den Papierknüllen auf. »Wie heißt dein Sohn«, sage ich.
    Ich bin fünfundzwanzig Tage in der Haftanstalt, als mir die Schwarzen einen Spitznamen verpassen: Apotheker. Ich lerne auch ein paar neue Wörter: Crystal oder Glass ist Meth in kristalliner Form; als Ice wird es geraucht; ein Laberflash ist der Redezwang, der viele auf Droge überkommt; ein Viertel - von einem Gramm - ist die normale Dosis, die man sich spritzt, und geht für 25 Dollar an den Mann.
    Ich verdränge den Gedanken an den eigentlichen Drogenhandel, an all die Fremden, denen ich schade. Aber irgendwo in mir weiß ich, daß sie der Preis sind, den ich für meine Sicherheit hier in der Anstalt und den Schutz durch die Schwarzen zahle. Ich höre aber auch eine Stimme in mir, die mir zuflüstert: Hab ich's dir nicht gesagt? Du hast ein Leben ruiniert, kein Wunder, daß du noch hundert mehr ruinierst.
    Eine Armee von Heitern draußen sorgt dafür, daß das Geschäft überhaupt erst funktioniert. Sie kaufen das Zubehör, stellen das Methamphetamin her und richten für Concise und mich Bankkonten ein. Ich wollte nicht am Gewinn beteiligt werden, aber Concise hat drauf bestanden - wenn ich schon das Risiko eingehe, habe ich auch Anspruch auf Lohn -, also habe ich nachgegeben. Ich könnte das Geld ja dafür verwenden, Kinder wie Concise' Sohn davor zu bewahren, in die Kriminalität abzurutschen - vielleicht eine Stiftung für gefährdete Jugendliche gründen.
    Und schon bin ich wieder bei der Frage, die mir durch den Kopf geht, seit ich hier bin: Kann man einen Fehler, den man begangen hat, durch gute Taten ungeschehen machen?
    Concise macht in verschiedenen Trakten der Anstalt Diabetiker ausfindig, die Spritzen klauen sollen, wenn sie sich ihre regelmäßige Insulindosis in einem Krankenhaus holen. Die meisten Süchtigen spritzen sich das Zeug am liebsten, weshalb ein hoher Bedarf an Nadeln besteht. Aber Meth kann man auch rauchen, schnupfen oder in den Kaffee oder Obstsaft mischen.
    Er hat eine lange Liste mit Kunden, noch ehe die erste Lieferung fertig ist.
    An dem Tag, als die Auswahl der Geschworenen beginnt, gibt man mir einen Anzug und ein blaues Hemd. Ich ertappe mich dabei, daß ich den Stoff streichele und mich frage, ob du die Sachen für mich ausgesucht hast. Ich bin so begeistert, endlich wieder etwas anderes anziehen zu können als die Anstaltskleidung, daß ich zunächst gar nicht merke, wie aufgebracht Concise ist. »Chicken Neck Mike kann die Übergabe nicht machen«, sagt er.
    Er reicht mir einen Kassiber von einem Insassen in einem anderen Trakt. Irgend jemand draußen hat die Nachricht von Mike erhalten und sie Concise zugespielt. Mike, der heute einen Gerichtstermin hat, sollte anschließend die erste Lieferung Meth reinschmuggeln, doch sein

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