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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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und genaue Anweisungen, wie der Mord auszuführen ist. Der Bürge begleitet dich, wenn es so weit ist. Schließlich wirst du die ganze Geschichte wohl kaum rausposaunen, wenn es für den Mord, den du begehst, einen Augenzeugen gibt ... und da er bei seinem Mord auch schon einen Augenzeugen hatte, redet er natürlich auch nicht.
    Wenn du deinen Job erledigt hast, darfst du dir die Buchstaben AB auf Arm oder Brust, Hals oder Rücken tätowieren lassen. Für das Tattoo mußt du aber im Gefängnis sein, es kann also durchaus einige Zeit zwischen deinem Mordauftrag und deiner offiziellen Aufnahme als Gangmitglied verstreichen.
    Wenn ein festes Mitglied von den Anführern einen Auftrag bekommt und ihn nicht ausführt, kann es dafür von seinen eigenen Leuten mit dem Tod bestraft werden.
    Einige Tage später sitzen wir in unserem Trakt vor dem Fernseher und gucken die Nachrichten, als plötzlich eine aktuelle Meldung der Lokalredaktion kommt. Alle merken auf - wenn von einer Straftat berichtet wird, ist es gut möglich, daß einer in unserem Trakt weiß, wer dahinter steckt. Heute geht es um einen Brand im Raum Phoenix.
    Die Reporterin ist eine kleine Frau, deren Haar die gleiche Farbe hat wie die Flammen. »Nach Auskunft der Polizei könnte das Feuer gestern nacht in einem illegalen Methamphetamin-Labor ausgebrochen sein. Das Haus auf der Deer Valley Road im Norden von Phoenix wurde vollständig zerstört. Die Feuerwehr konnte Wilton Reynolds nur noch tot bergen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ...«
    Hinter mir ertönt ein Aufschrei, und ich höre, wie ein Abfalleimer umkippt. Als ich mich umdrehe, sehe ich Concise vor dem Müll stehen. Die Aufseher werden aufmerksam, und ich eile zur Überwachungska-bine. »War ein Versehen«, sage ich und richte den Eimer schnell wieder auf. Dann packe ich Concise am Arm und ziehe ihn nach oben in unsere Zelle. »Was soll der Quatsch?«
    Er setzt sich hin. »Sinbad ist mein Bruder.« »Sinbad?«
    »Der Typ, um den's eben in den Nachrichten
    ging.«
    Es dauert einen Moment, bis ich begreife, daß Concise von dem Toten spricht. »Du meinst, der mit dem Meth-Labor?«
    »Kr hat gesagt, er versteht was davon«, knurrt Concise.
    »Ich dachte, du hättest zwei Schwestern.«
    »Er ist mein Bruder «, wiederholt Concise mit übertriebener Betonung. »Ich bin mit ihm auf den Straßen aufgewachsen. Das Labor sollte unsere große Sache werden.«
    »Ihr habt Meth hergestellt? Weißt du eigentlich, was das Zeug anrichtet?«
    »Wir haben es ja nicht verschenkt«, faucht Concise. »Wenn einer so blöd ist, sich zu ruinieren, ist das seine Sache.«
    Ich schüttele angewidert den Kopf. »Wenn du das Zeug machst, kommen die Leute.«
    »Wenn du das Zeug machst«, sagt Concise, »kannst du die Miete zahlen. Wenn du das Zeug machst, kannst du deine Schulden bei den Kredithaien tilgen. Wenn du das Zeug machst, kannst du deinen Kindern Schuhe kaufen und was zu essen und vielleicht sogar ab und an ein Spielzeug, das jedes andere Kind in der Scheißschule schon hat.« Er blickt zu mir auf. »Wenn du das Zeug machst, dann muß dein Sohn das vielleicht nicht tun, wenn er groß ist.«
    Es ist erstaunlich, was für Geheimnisse man bewahren kann, selbst wenn man auf engstem Raum zusammen haust. »Das hast du mir nie erzählt.«
    Concise steht auf und stützt die Hände gegen die obere Pritsche. »Seine Mutter ist an einer Uberdosis gestorben. Er lebt bei ihrer Schwester, aber die kann sich auch nicht ständig um ihn kümmern. Ich schicke Geld, wenn ich kann, damit ich weiß, daß er was zum Frühstück hat und Essensmarken für die Schulmensa kriegt. Ich hab auch ein Konto für ihn eröffnet, auf das ich kleinere Beträge einzahle. Nur für den Fall, daß er sich keiner Straßenbande anschließen will, verstehst du? Nur für den Fall, daß er Astronaut oder Football-profi oder so werden will.« Er kramt ein kleines Notizbuch unter seiner Pritsche hervor. »Ich schreibe ihm.
    So was wie'n Tagebuch. Damit er weiß, wer sein Daddy ist, sobald er es lesen kann.«
    Es ist immer leichter, einen Menschen zu verurteilen, als sich zu überlegen, was ihn vielleicht so weit gebracht hat, eine illegale oder moralisch verwerfliche Tat zu begehen, weil er glaubt, daß er dann besser dran ist. Die Polizei wird Wilton Reynolds lediglich als Drogenhändler abtun und sich freuen, daß ein Krimineller mehr für immer von der Bildfläche verschwunden ist. Ein Vater der Mittelschicht, der Concise auf der Straße sieht, wird einen großen

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