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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Anwalt hat den Termin verschoben. Chicken Neck Mike kann also nicht liefern.
    »Na«, sage ich. »Aber mein Termin findet statt.«
    Für den Transport ins Gericht werden die Insassen aneinandergekettet. Wir tragen unsere Alter egos unter dem Arm - Jeans und Muscleshirt, Buttondown-Hemd, Anzug. Im Gerichtsgebäude werden uns die Ketten abgenommen, und wir dürfen uns umziehen. Eric hat vergessen, mir Socken mitzubringen, also steige ich mit nackten Füßen in meine Halbschuhe.
    Wir werden alle gemeinsam in den Gerichtssaal geführt und in die Anklagebank gesetzt. Nacheinander wird man uns aufrufen, damit wir neben unserem jeweiligen Anwalt an einem Tisch Platz nehmen. Eric ist noch nicht da, und ich bin froh: Ich möchte nicht, daß er sieht, was ich gleich tun werde.
    Es macht natürlich im Grunde keinen Unterschied, ob ich das Rezept liefere, womit dann zigtausend Gramm Methamphetamin hergestellt werden, oder ob ich den Stoff selbst in die Anstalt schmuggele, doch in einem Winkel meines Hirns kommt mir das Schmuggeln von Drogen schändlicher vor.
    Concise hat gesagt, daß Blue Locs Freundin mir die Ware zuspielen wird. »Du mußt einfach nur dasitzen«, erklärte er, »der Stoff kommt dann schon zu dir.«
    Eine gute halbe Stunde warte ich in der Geschwore-nenbank und schaue zu, wie die Anwälte nach und nach in den Saal kommen und miteinander plaudern oder ihre Anträge noch einmal durchlesen. Vom Richter fehlt jede Spur. Ich bestaune die hohe Decke, den riesigen Raum - Architektur, die ich vergessen habe.
    Eine junge Frau eilt den Mittelgang hinunter und spricht einen Deputy an. Sie trägt ein Nadelstreifenkostüm, das ihre Taille betont, und nicht zu hohe schwarze Pumps. Ihre Cornrow-Frisur hat sie zu einem adretten Knoten gedreht, und ihr Teint hat die Farbe von Ahornsirup. »Ja, ich bin Eric Talcotts Assistentin«, höre ich sie sagen, und dann zeigt sie direkt auf mich. »Er hätte gern, daß sein Mandant noch schnell einen Antrag durchliest, den er heute stellen will. Wenn ich nur kurz ...« Sie lächelt ihm in die Augen.
    Einen Augenblick später kommt sie zu mir. »Mr. Talcott möchte, daß Sie sich das hier ansehen«, sagt sie und beugt sich mit der Aktenmappe über die Balustrade der Geschworenenbank.
    Auf den Seiten in der Akte steht kein einziges Wort geschrieben. Sie zeigt darauf und flüstert: »Nicken.« Ich tue es, und ein kleiner verknoteter Luftballon rutscht aus dem Knick der Aktenmappe und landet lautlos zwischen meinen Füßen.
    Sie klappt die Mappe zu und klackert wieder aus dem Gerichtssaal. Ich versuche, sie mir mit Blue Loc vorzustellen, wenn er nicht Blue Loc ist, sondern ein ganz normaler Mann, der mit seiner Freundin in der Stadt wohnt. Dann bücke ich mich, hebe rasch den Bai-
    Ion auf und lasse ihn in meinem Hosenbund verschwinden.
    Eric trifft einige Minuten später ein und bittet den Deputy ebenfalls um die Erlaubnis, mit mir zu sprechen. Inzwischen habe ich Schweißflecken unter den Armen und mir ist richtig schlecht. »Alles in Ordnung?« fragt er.
    »Ja. Mir geht's gut.«
    Er mustert mich mit einem seltsamen Blick. »Was hat der Deputy da eben gemeint? Eine Assistentin von mir wollte dich sprechen?«
    »Das war ein Irrtum. Die Frau wollte zu einem anderen Hopkins.«
    Eric zuckt die Achseln. »Egal. Paß auf, heute geht's darum -«
    »Eric«, unterbreche ich ihn. »Ich müßte dringend mal auf die Toilette, meinst du, das geht?«
    Er blickt mich an, dann den Deputy. »Ich frag mal.« Offenbar rechtfertigt mein angeschlagenes Aussehen eine spezielle Unterbrechung, denn ein anderer Deputy kommt und eskortiert mich zur Toilette. Er bleibt vor der Kabine stehen und pfeift, während ich mir die Hose runterschiebe. Mit einem Finger fische ich den Klecks Salbe hinter dem Ohr hervor, mit dem Concise mich heute morgen extra für diesen Zweck ausgestattet hat, und reibe damit den kleinen, weißen Ballon ein, bis er gleitfähig ist und ich ihn mir ins Rektum schieben kann.
    Zehn Minuten später nehme ich am Tisch der Verteidigung neben Eric Platz. Ich halte die Augen auf die Parade von möglichen Geschworenen gerichtet, die in den Saal kommen. Ich mustere die Frau mit Akne, den Mann, der andauernd auf die Uhr guckt, die junge Frau mit Sommersprossen, die sich hier offenbar genauso unwohl fühlt wie ich. Sie nehmen die Geschworeneninformationen entgegen, die Eric verteilt. Einige von ihnen blicken mich aus zusammengekniffenen Augen an, andere bemühen sich um eine ausdruckslose Miene. Ich

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