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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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wünschte, ich könnte mit ihnen reden. Ich würde ihnen sagen, daß sie mich unmöglich härter verurteilen können, als ich mich selbst verurteile. Ich würde ihnen sagen, daß man einem Menschen nicht ansieht, was er zu verbergen hat.
    Twitch ist zweiundzwanzig und sieht aus wie fünfzig. Er lungert in einer Ecke des Hofes herum, zupft sich den eiternden Schorf zwischen den Fingern und Zehen ab und schnüffelt an dem Blut, das hervorquillt und noch immer nach dem Meth riecht, das ihm durch die Adern strömt. Wenn er einen anlächelt, was nicht häu-fig passiert, kommen die schwarzen Zahnlücken und der dicke, weiße Belag auf seiner Zunge zum Vorschein.
    Die meiste Zeit ist er völlig aufgekratzt - zu high vom Meth, um zu schlafen - und hat Halluzinationen. Kr ist nicht gewalttätig, aber paranoid, und seit kurzem ist er davon überzeugt, daß die Aufseher Bodysnatcher sind. Er zupft an meinem Hemd, als ich an ihm vorbeigehe. »Wie lange noch«, flüstert er.
    Die erste Kostprobe, die ich mit dem Ballon herein-geschmuggelt habe, ging kostenlos an die Mau Mau oben in der Sicherungsverwahrung - die Mitglieder der Schwarzengang. Diese Abgabe war für Concise praktisch das Sesam-öffne-dich für sein Geschäft.
    Die erste richtige Lieferung traf in einer Bibel ein. Dieselbe Frau, die Erics Assistentin gespielt hatte, brachte dem Geistlichen, der hier die Baptistengottesdienste liest, eine ledergebundene Bibel. Sie erzählte ihm unter Tränen, ihr Freund - an dem Tag war es Concise - hätte zu Jesus gefunden und sie hätte extra eine Bibel für ihn mit einer persönlichen Widmung versehen. Leider dürften die Insassen von Angehörigen keine Bücher erhalten, und ob der Geistliche denn keine Möglichkeit sähe, ihrem Freund das Geschenk zukommen zu lassen? Welcher Geistliche würde eine solche Bitte abschlagen?
    Als Concise die Bibel bei seinem nächsten Gottesdienstbesuch erhielt, dankte er dem Geistlichen überschwenglich, und sobald er wieder in der Zelle war, dankte er Gott. Im Buchrücken, unter sorgsam neu verklebtem Leder, war eine Unze Meth versteckt. Diese Unze, die draußen 1.000 Dollar gebracht hätte, war im Gefängnis 400 Dollar pro Gramm wert - also etwa 11.200 Dollar insgesamt.
    Twitch hält mich wieder am Ärmel fest, und ich schüttele ihn ab. »Wie oft muß ich dir das noch sagen, nicht ich mache die Deals.« Als ich mich abwende, kriege ich noch mit, wie Concise und Flaco, einer von den Mexican Nationais, ins Geschäft kommen.
    »Hundertfünfzig«, sagt Concise.
    Flacos Augen verfinstern sich. »Tastee Freak hast du die gleiche Menge für 'nen Hunderter verkauft.«
    Concise zuckt die Achseln. »Tastee Freak ist kein Latino.«
    Flaco akzeptiert den Preis und geht. »Du hast ihn über den Tisch gezogen«, sage ich zu Concise. »Das ist doch ...«
    Fast hätte ich »ungerecht« gesagt, merke aber, wie albern das hier wäre. »Wieso?« frage ich. »Weil er Mexikaner ist?«
    »Na hör mal, ich bin doch kein Rassist«, grinst Con-cise. »Nein, weil er kein Schwarzer ist.«
    Der Diabetiker, der Concise mit Nadeln versorgt, beschafft ihm auch einen Asthmainhalator. Spät abends, wenn das Licht in den Zellen ausgeschaltet wurde, entlernt er mühsam Deckel und Boden des dünnen Blech-behälters, bis er ein hohles Rohr hat. Dann drückte er es behutsam mit einer Zahnbürste auseinander und erhält ein flaches Stück Metall, das neu geformt werden kann.
    Es soll eine Pistole werden, eine tödliche Kammer für die Patrone, die wir noch immer versteckt haben.
    Ich verlasse die Zelle nur, wenn ich weiß, daß Concise da ist, um unseren Schatz zu bewachen. Wenn wir aus irgendwelchen Gründen beide nicht da sind, versteckt einer von uns die Patrone in seinem Körper. Wir behandeln dieses winzige Geschoß so fürsorglich und ehrfürchtig wie eine Mutter ihr Baby.
    Heute abend arbeitet Concise energischer an seiner Waffe als sonst. »Denkst du schon mal drüber nach, was du machst, wenn du draußen bist?« frage ich leise.
    »Nein.«
    Seine kategorische Antwort überrascht mich. »Aber es gibt doch bestimmt irgendwas, was du gerne machen würdest.«
    »Die Welt ist kein Selbstbedienungsladen, Apotheker«, sagt Concise. »Die meisten von uns müssen einfach ihr Leben lang Raten abstottern.«
    »Du könntest mit deinem Sohn wegziehen. Dir irgendwo einen Job suchen.«
    »Und was für einen?« fragt Concise. »Meinst du, die Leute reißen sich darum, einen Schwarzen einzustellen, der im Knast war?« Er schüttelt den

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