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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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tun, Mr. Schnurr?«
    »Das Umweltamt will ihn mir wieder wegnehmen. Ich will eine einstweilige Verfügung«, sagt Schnurr.
    »Und wenn ich dafür bis vors Oberste Gericht gehen muß.«
    Die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Fall bis nach Washington geht, ist gleich Null, doch ehe ich das erklären kann, fliegt meine Bürotür auf und Delia kommt hereingestürmt, außer sich und in Tränen aufgelöst. Mein Inneres verkrampft sich. Ich male mir das Schlimmste aus, denke an Sophie. Ich ziehe Delia nach draußen auf den Flur und frage sie, was passiert ist.
    »Mein Vater ist verhaftet worden«, sagt sie. »Du mußt ihm helfen, Eric. Du mußt.«
    Ich habe keinen Schimmer, was Andrew ausgefressen haben mag, und ich frage auch nicht nach. Delia glaubt, daß ich die Sache aus der Welt schaffen kann, und das genügt wie immer: dann glaube ich selbst auch daran. »Ich kümmere mich darum«, sage ich, obwohl ich eigentlich meine: Ich kümmere mich um dich.
    Bei mir zu Hause haben wir nie drinnen gespielt. Ich bin morgens immer extra früh aufgestanden, damit ich bei Delia oder bei Fitz anklopfen konnte, bevor einer von ihnen zu mir kam. Wenn wir doch mal zu mir gingen, habe ich dafür gesorgt, daß wir draußen blieben, im Garten oder in der Garage, und so habe ich es geschafft, mein Geheimnis zu bewahren, bis ich neun war.
    Das war der Winter, als Fitz im Eishockeyverein anfing, weshalb Delia und ich nachmittags allein waren. Sie war ein Schlüsselkind - ihr Vater war den ganzen Tag im Seniorenzentrum -, es hatte ihr nie was ausgemacht, bis wir einmal im Fernsehen einen traurigen Film über ein Zwillingspaar sahen, von dem der eine Bruder starb. Danach war Delia nicht mehr gern allein. Sie ließ sich ständig Gründe einfallen, weshalb wir nach der Schule zu ihr gehen sollten - was mir nur recht war, Hauptsache, ich kam von zu Hause weg. Aber ich bin vorher immer erst auf einen Sprung bei mir vorbei. Ich hatte stets einen Vorwand parat: Ich wollte meine Schultasche wegbringen, ich wollte mir ein wärmeres Sweatshirt anziehen, ich wollte meiner Mutter eine Klassenarbeit zeigen, die sie unterschreiben sollte. Anschließend ging ich dann nach nebenan.
    Eines Tages trennten Dee und ich uns wie immer bei ihr vorm Haus. »Bis gleich«, sagte sie.
    Als ich nach Hause kam, war es still, was kein gutes Zeichen war. Ich ging von Raum zu Raum und rief nach meiner Mutter, bis ich sie in der Küche auf dem Boden fand.
    Diesmal lag sie der Länge nach auf der Seite, mit der Wange in Erbrochenem. Als sie blinzelte, sah ich, daß ihre Augen rubinrot waren.
    Ich hob die Flasche Bourbon auf und schüttete den Rest in die Spüle. Ich rollte meine Mutter ein Stück zur Seite, damit ich den Boden mit Küchenpapier sauberwischen konnte. Dann stellte ich mich hinter sie und faßte sie unter den Armen. Ich versuchte, sie leicht anzuheben und zur Couch im Wohnzimmer zu schleifen.
    »Was kann ich tun?«
    Delia hatte wohl schon eine Weile in der Tür gestanden. Sie sah mir nicht in die Augen, aber sie half mir, meine Mutter zur Couch zu tragen und auf die Seite zu legen, damit sie, falls ihr wieder schlecht würde, nicht am eigenen Erbrochenen erstickte. Ich schaltete den Fernseher ein, eine Serie, die sie mochte. »Eric, Schätzchen, bist du so lieb und holst mir ...«, lallte meine Mutter, doch ehe sie den Satz beenden konnte, war sie wieder weggetreten. Als ich mich umdrehte, war Delia nicht mehr da.
    Das wunderte mich überhaupt nicht. Genau wegen dieser Situationen hatte ich die Sache ja vor meinen besten Freunden geheimgehalten. Ich war mir sicher, sie würden Reißaus nehmen, wenn sie die Wahrheit sahen.
    Ich ging zurück in die Küche, jeder Fuß schwer wie Blei. Da stand Delia, einen Schwamm in der Hand, und blickte auf das Linoleum. »Kriegt man mit Teppichreiniger wohl auch was anderes als Teppiche sauber?« fragte sie.
    »Geh lieber«, sagte ich, den Blick auf den blau gepunkteten Fußboden gerichtet, als würde mich das Muster faszinieren.
    Delia kam näher, sah, was für ein Monster ich in Wirklichkeit war. Mit einem Finger malte sie sich ein X auf die Brust. »Ich sag's keinem.«
    Eine verräterische Träne lief mir über die Wange, und ich wischte sie mit der Faust weg. »Geh lieber«, wiederholte ich, obwohl es das letzte auf der Welt war, was ich wollte.
    »Okay«, sagte Delia. Aber sie blieb.
    Das Polizeirevier in Wexton unterscheidet sich in nichts von irgendeinem anderen Polizeirevier in irgendeiner anderen Kleinstadt: ein gedrungener

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