Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
entsprechenden Bedingungen erfüllt sind, daß Sie es aber nicht müssen. Nun, lassen Sie mich Ihnen erklären, warum das nicht ganz so einfach ist, wie er es darstellt.« Sie geht zu Eric hinüber. »Wenn wir in einer Welt leben würden, in der Regeln weniger zählen als Gefühle, dann wäre das ein ziemlich unbehaglicher Ort. Ich könnte zum Beispiel das hier tun -« Emma nimmt Erics Aktentasche und legt sie auf ihren Tisch - »weil mir die Tasche besser gefällt als meine. Und wenn ich Sie davon überzeugen könnte, daß ich rein gefühlsmäßig gute Gründe dafür habe, daß sie mir besser gefällt als meine, nun dann könnten Sie zu dem Schluß kommen, daß ich die Tasche mit gutem Recht stehlen durfte.«
Sie geht zu Eric zurück, nimmt das Glas Wasser, das vor ihm auf dem Tisch steht, und trinkt es aus. »Wenn wir in Mr. Talcotts Welt leben würden, könnte ich das Wasser hier so einfach trinken, weil ich eine stillende Mutter bin und es verdient habe. Aber wissen Sie was? In so einer Welt könnten auch Vergewaltiger tun, was sie wollen, weil ihnen zum Zeitpunkt der Tat danach ist,« Sie nähert sich wieder der Geschworenenbank.
Es wäre eine Welt, in der jemand in einem Anfall von Wut töten dürfte. Es wäre eine Welt, in der Ihnen jemand, wenn er nur überzeugend vertreten könnte, daß es ein heroischer Akt war, für achtundzwanzig Jahre ihr Kind wegnehmen dürfte.«
Sie schweigt kurz. »Ich lebe nicht in so einer Welt, Ladys und Gentleman. Und ich möchte wetten, Sie auch nicht.«
Während die Geschworenen sich beraten, verstecken Eric und ich uns in einem kleinen Besprechungsraum. Er bestellt uns Sandwiches, und wir essen schweigend. »Danke«, sage ich nach einer Weile.
Er zuckt die Achseln. »Ich hatte auch Hunger.«
»Ich meinte, dafür, daß du mich vertreten hast.«
Eric schüttelt den Kopf. »Bedank dich nicht bei mir.«
Ich nehme noch einen Bissen. »Ich verlaß mich drauf, daß du gut auf sie aufpassen wirst.«
Er blickt nach unten auf seine Hände, legt dann das Sandwich weg. »Andrew«, antwortet er, »ich glaube, es wird umgekehrt sein müssen.«
Nach weniger als drei Stunden werden wir wieder in den Gerichtssaal gerufen. Als die Geschworenen hereinkommen, versuche ich, in ihren Gesichtern zu lesen, aber sie sind unergründlich, und keiner von ihnen blickt mich an. Ist das ein Zeichen von Mitleid? Oder von schlechtem Gewissen?
»Der Angeklagte möge sich erheben.«
Ich glaube, ich war mir meines Alters noch nie so bewußt wie in diesem Moment. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten. Ich merke, daß ich mich auf Eric stütze, obwohl ich versuche, aufrecht und tapfer zu sein. Als ich es nicht länger aushalte, wende ich den Kopf und suche im Zuschauerraum nach Delia. Ich halte mich an ihrem Gesicht fest, ein Fixpunkt, während die übrige Welt um mich herum zerfällt.
»Sind die Geschworenen zu einem Urteil gelangt?« fragt der Richter.
Eine Frau mit dichten roten Löckchen nickt. »Ja, Euer Ehren.«
»Wie lautet das Urteil?«
»Im Fall der Staat Arizona gegen Andrew Hopkins befinden wir den Angeklagten für nicht schuldig.«
Ich nehme wahr, daß Eric einen Jubelschrei ausstößt, daß Chris Hamilton uns beiden auf die Schulter klopft. Ich ringe nach Luft, versuche zu atmen. Und dann ist Delia da, schlingt ihre Arme um mich und drückt ihr Gesicht an meine Brust. Ich halte sie fest und denke an etwas, das Eric gesagt hat, gleich nach seinem Schlußplädoyer. Eine richtige Verteidigung ist das nicht , hatte er gemurmelt, aber manchmal ist das alles, was man hat.
Manchmal funktioniert es sogar.
Reporter umdrängen uns und möchten ein kurzes Statement von Eric. Dann machen sie ein wenig Platz für Emma Wasserstein. Sie schüttelt Eric die Hand, dann Chris und beugt sich vor, um Eric seine Aktentasche zurückzugeben. Aber dabei kommt sie so nah an mich heran, daß sie mir etwas zuflüstern kann. »Mr. Hopkins«, sagt sie, ein Geständnis, das nur für meine Ohren gedacht ist, »ich hätte es auch getan.«
FITZ
Ich bin auf der Suche nach einem Hinterausgang, durch den wir unauffällig verschwinden können, als Delia auftaucht und sich in meine Arme wirft. Daran hab ich mich noch nicht gewöhnt. Schlagartig verpufft in meinem Kopf jeder bewußte Gedanke und jeder rationale Plan, und ich genieße einfach nur das Gefühl, sie zu halten. »Glückwunsch«, sage ich in ihr Haar.
»Ich will es Sophie sagen«, erklärt sie. »Ich will es ihr sagen, und dann will ich auf direktem Weg
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