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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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grinste, als er Chel entdeckte.
    »Ich hab’s doch gewusst! Es war das versülzte Loch im Boden, stimmt’s?«
    »Allerdings, Freund Yash. Ich bin froh, dass Sie den Eingang freigeräumt haben, denn jetzt können wir aufbrechen.«
    »Aufbrechen? Aber wir sind doch gerade erst …«
    »Ja, jetzt gleich. Wir müssen eine dringende Nachricht nach Tayowal überbringen, eine lebenswichtige Botschaft.« Enttäuschung zeichnete sich in den Mienen der Gelehrten ab, einer von ihnen war ein Opfer des Hüters
gewesen. »Wie geht es dir, Sylgoru? Hast du dich wieder erholt?«
    Der Gelehrte bot ein des Jammers. »Ich schäme mich sehr, Seher, dass ich meine Saatbrüder in Gefahr gebracht habe. Ich war schwach …«
    »Es hat dich unvorbereitet getroffen, Syl«, sagte Chel. »Wie uns alle. Aber jetzt haben wir einen neuen Verbündeten und eine neue Zuflucht, deshalb sollten wir unverzüglich aufbrechen. Wir müssen vor Einbruch der Nacht in Tayowal sein und die anderen vorbereiten auf das, was kommt.«
    Als sie aus dem hohen, düsteren Raum hinausmarschierten, berichtete er kurz, was er vom Wächter in Erfahrung gebracht hatte. Die drei Uvovo-Gelehrten hörten mit ängstlich geweiteten Augen zu, doch Pilot Yash wirkte eher nachdenklich.
    »Dann glaubt dieser Wächter also, wir wären dort solange sicher, bis Hilfe eintrifft?«
    »Das hoffe ich, Yash. Ich bin schon gespannt, wie sie das Geld ausgeben werden, das Gorol9 Ihnen versprochen hat. Sie könnten uns vielleicht auch ein paar Geschenke kaufen.«
    »Ah, ein Uvovo-Scherzbold! Verdammte Sülze, was kommt als Nächstes - hegemoniale Sozialarbeiter? Brolturanische Atheisten? Umgängliche Menschen …?«

5 Kuros
    Das Interview fand auf dem Himmelsbalkon des Palasts der Pflichten statt, in der offiziellen Residenz des Hegemons von Iseri, der Heimatwelt des sendrukanischen Volkes. Der Palast der Pflichten war nahe dem Gipfel des Hyzathberges in eine steile Felswand hineingebaut und bot eine atemberaubende Aussicht auf die sich bis zum Horizont erstreckende Megatropolis Erizan, dem administrativen und kulturellen Zentrum Oseris und Mittelpunkt der Hegemonie. Aus dem wolkenlosen Frühlingshimmel strahlte die Morgensonne herab, ein Hanokpärchen jagte sich in der Luft, und die Stadt Erizan funkelte und leuchtete wie eine riesige, wunderschöne Maschine.
    Wäre dies der reale Himmelsbalkon gewesen, wäre das Wetter vermutlich weniger mild gewesen, und die Wolken hätten einen Teil der Aussicht verdeckt. Utavess Kuros, dem Hohen Monitor und Botschafter auf Darien, diente die idealisierte Simulation dazu, diejenigen, von denen er sich einen Nutzen versprach, zu beeindrucken. Zum Beispiel die schwarzhaarige Reporterin, die verwundert den Ausblick genoss.
    »Einfach großartig, Botschafter«, sagte sie. »So viele Details und so klar. Ich spüre den Wind im Gesicht und schnuppere Blumenduft.«
    »Die zweite Gemahlin des Hegemons züchtet Bunirblumen«, sagte Kuros und deutete auf zwei hohe, mit gelben Blüten übersäte Klettergerüste beiderseits des simulierten Portals, das in die andere Hälfte des Audienzsaals führte.
»Die moderne Projektionssuite erschafft alle Aspekte der Umgebung einschließlich der visuellen und physikalischen Texturen nach. Ich bin zwar kein Techniker, doch soviel ich weiß, erzeugen die Mikrofelder und Duftgeneratoren der neuesten Generation einen authentischen Eindruck.«
    Die Menschenfrau machte große Augen. »Auch auf Neu-Lilongwe gab es verschiedene Formen der Virtualität, allerdings bei weitem nicht so überzeugend.«
    Sie hieß Lora Mesi und war eine erfahrene Reporterin von Pimaznet, einer Nachrichtenorganisation, die zu Starstream gehörte, dem erdbasierten Wirtschafts-Monoclan, der sich in der Geschichte des Bündnisses mit der Erde auf vielfache Weise als nützlich erwiesen hatte. Dieses Interview war wie viele andere Teil einer konzeptuellen Dominanzstrategie, die das Virus der Hegemonie-Feindschaft bekämpfen sollte.
    Lautlos gab er der Projektionssuite eine Anweisung, worauf ein roter, sechseckiger Tisch und zwei Stühle erschienen.
    »Lassen Sie uns beginnen, Reporterin Mesi«, sagte er.
    Die Frau nahm am Tisch Platz, sichtlich verwirrt von der Simulation, doch darum bemüht, einen gelassenen, professionellen Eindruck zu machen. Mit der Linken schaltete sie einen kleinen keilförmigen Rekorder ein (den Kuros’ Büro ihr zur Verfügung gestellt hatte), mit der Rechten fummelte sie an einem Tablet-Notizbuch herum. Das Interview folgte dem

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