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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Totenstarre an einem Aststummel fest, aus dem Harz hervorsickert …
    Segrana flüstert: Ruh Dich Aus, Catriona, Ruh Dich aus, Erhole Dich. Die Lauscher Und Heiler Wissen, Was Sie Zu Tun Haben.
    Die Müdigkeit lässt ihre Gliedmaßen schwer werden und verlangsamt ihre Gedanken, doch es gibt viel zu tun, so viel … zu viel …
    Ruh dich aus, drängt Segrana, Ruh Dich Aus, Erhole Dich.

    Und Catriona gibt nach, erliegt der Last ihrer Erschöpfung, und das Lied Segranas schwindet …
    … Und als sie die Augen wieder aufschlug, erblickte sie Theo Karlsson, der auf einem Knoten im gewaltigen Baumstamm hockte.
    »Wie lange sitzt du schon da?«, murmelte sie und massierte sich den verspannten Hals.
    Theo zuckte die Achseln. »Vielleicht seit einer halben Stunde. Weißt du eigentlich, dass du im Schlaf mit den Zähnenknirschst?«
    Cat bedachte ihn von ihrem Lager am laubumhüllten Sprechenden Ort aus mit einem halb belustigten, halb verärgerten Blick. Dann setzte sie sich auf und stöhnte, denn hinter ihren Schläfen pulsierte der Kopfschmerz.
    »Ah, du hast bestimmt zu wenig getrunken«, meinte Theo. »Das könnte dir helfen.«
    Eine der Lauscherschwestern,deren Fell mit silbernen Flecken durchsetzt war, kletterte zur Baumhöhle hoch und reichte Cat einen Becher mit Emelsaft. Er war kühl und schmeckte unglaublich köstlich. Sie leerte den Becher und trank noch einen zweiten, dann zog sich die Uvovo lächelnd zurück.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragte Theo.
    »Das wollte ich gerade dich fragen«, erwiderte Cat. Als Theo schwieg, seufzte sie. »Malirs letzte Schätzung beläuft sich auf zweiundfünfzig Tote und achtundsechzig Verwundete.«
    Theo nickte grimmig. »Das sind alles tapfere, gute Kämpfer. Es hätte schlimmer kommen können. Und die Brolturaner?«
    »Haben mehr Verwundete als wir, über achtzig, aber nicht einmal halb so viele Gefallene.«
    »Sie sind besser geschützt.«

    »Und was ist mit den Stahlnadelgeschossen?«, fragte Cat. »Die waren neu.«
    »Ja, gegen definierte Ziele haben sie auf mittlere Reichweite eine verheerende Wirkung«, sagte er. »Aber im Nahkampf, im dichten Unterholz? Da ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die eigenen Leute getroffen werden. Jedenfalls hatten wir noch Glück im Unglück.«
    »Aye, das denke ich auch.«
    Er musterte sie forschend. »Du hast mir ja schon einiges über deine Verbindung zum Waldbewusstsein erzählt … Aber wie war das mitten in der Schlacht?«
    Auf einmal hatte Cat Lust auf einen dritten Becher Saft. Sie lächelte schwach. »Ganz ehrlich, Theo, du hast jemanden vor dir, deren Gehirn sich anfühlt wie ein nasser Schwamm. Ich weiß wirklich nicht, ob ich dir das im Moment schildern kann.«
    »Okay, tut mir leid, ich hab mich nur gefragt, wie Segrana auf die Kämpfe und das Töten reagiert, falls überhaupt …«
    »O ja, das tut sie!« Als die Erinnerungen aufwallten, knirschte Cat mit den Zähnen.»Sie empfindet ebenso Schmerz wie ich, und sie verspürt Zorn, einen gewaltigen, anschwellenden Zorn …« Dann fiel ihr etwas anderes ein, eine Empfindung, die von dem Moment herrührte, als ihre Wahrnehmung die größte Ausdehnung gehabt hatte. Da hatte sie eine gewaltige latente Kraftreserve wahrgenommen, weit ausgedehnt und gebunden an die Fundamente des Waldes, des Landes und der See, uralt und wartend …
    »Meine Fragen können warten«, sagte Theo. »Jetzt will ich erst mal Malachi aufsuchen und ihm sagen, wie gut meine Baroreserve gekämpft hat! Möchtest du vielleicht mitkommen?«

    Cat schüttelte den Kopf. »Für mich ist es noch zu früh, Theo. Ich weiß, du hast mir gesagt, wie gut er sich macht, aber … nach dem heutigen Tag kann ich ihm nicht unter die Augen treten. Verstehst du das?«
    Theo nickte. »Lass dir nur Zeit. Das ist ein guter Mann, du wirst schon sehen.« Dann umfasste er den Baumstamm, wandte sich ab und ließ sich auf die Gehplanken hinuntergleiten, die aus dem gewaltigen Ast vorsprangen.
    »Sei vorsichtig«, murmelte Cat.
    »Wie eine Katze«, erwiderte er grinsend. »Na ja, wie ein alter Kater mit grauem Pelz und einem zerfledderten Ohr, das trifft’s wohl eher. Meine Leibwächter Mlor und Etril werden schon auf mich aufpassen. Bis später dann.«
    Als er weg war, setzte Catriona sich auf den Rand der Nische. Sie streifte die Wurzelreste ab, die sich ihr um Hals und Hände geschlungen hatten, dann saß sie einfach nur mit geschlossenen Augen da, ohne zu denken, mit leerem Kopf. Doch in den Bäumen hallte noch Segranas

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