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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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unaufhörliches Lied nach, wie ein allgegenwärtiger Nebel des Seins. Auf einmal sehnte sie sich nach kühler, klarer Luft, richtete sich auf und blickte zum Hauptstamm des uralten Säulenbaums auf, fasste den Hauptaufstieg in den Blick und vergegenwärtigte sich die Verzweigungen der Astwege in diesem Teil des Waldes.
    »Möchtest du etwas essen, Pfadmeisterin?«, erkundigte sich die eine Lauscherschwester, sich über ihr aus dem Laub hervorbeugend.
    »Danke, nein. Später vielleicht.«
    Die Lauscherin neigte den Kopf und zog sich ins Laub zurück. Catriona schaute wieder in die Höhe, dann näherte sie sich dem Stamm und begann den Aufstieg.
    Ich muss hoch hinauf, dachte sie. Ich möchte den Himmel sehen, ich möchte Darien sehen.

Theo
    Als der Abend hereinbrach, wurde es dunkel im Wald. Der Trictra kletterte einen steil ansteigenden Ast hoch, und Theo klammerte sich so fest ans Geschirr, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Vor ihm saß Etril, unmittelbar hinter dem Kopf des Trictras, und trieb das Tier hin und wieder mit leichten Schlägen auf die Vordergelenke an.
    Schon vier Wochen auf Niwjesta, dachte er. Dutzende Male auf diesen Spinnenviechern geritten, und ich kriege es immer noch mit der Angst!
    Ansonsten hatte er sich recht gut ans Waldleben gewöhnt. Anpassung und Überleben waren die beiden Grundaxiome, wenn man in der Wildnis gefangen war. Wenn er jedoch an Catriona dachte - nun, er hatte Mühe mit der Vorstellung, dass der ganze Wald ein Bewusstsein hatte, das Tausende Jahre alt war und sich mit denen, die es für nützlich erachtete, verständigen konnte. Wie hatte Cat sich wohl in ihre Rolle gefunden? Was hatte sie aufgegeben? Der Wald wollte jedenfalls überleben, doch Theo war sich bewusst, dass der Konflikt nicht mehr lange so weitergehen konnte. Früher oder später würden die Brolturaner ihre ganze Überlegenheit geltend machen.
    Und dann wird der ganze Mond brennen, dachte er düster.
    »Wir sind Ipolb ganz nahe«, sagte Etril über die Schulter hinweg. »Soll ich mich am Abend um das Tier kümmern, oder kommst du allein zurecht?«
    »Ach, Etril, ich habe in der Haltung von Trictras ebenso viel Erfahrung wie im Blatthüpfen.«
    Der Uvovo lachte. »Ich verstehe, was du meinst, Freund Karlsson. Ich werde heute Abend dableiben und das Biest
versorgen … Ich habe gehört, wie die Pfadmeisterin das Wort gebraucht hat. Habe ich es richtig ausgesprochen?«
    »Ja, das hast du, Etril.«
    Kurz darauf gelangte Ipolb in Sicht, eine Ansammlung von Plattformen, Schuppen und kleinen Hütten, die an den verwobenen Ästen zweier Bäume verzurrt waren. Gerüste und Seilwege schlängelten sich durch die kleine Siedlung, die von Lampen erhellt wurde. Theo fiel eine Plattform ins Auge, die etwas höher an einem der Hauptstämme angebracht war - gelber Lampenschein fiel aus den schmalen Fenstern einer großen, schiefen Hütte, unter der ein Trictrastall hing.
    Eltril ließ Theo auf der Plattform zurück und brachte den Trictra in den Stall. Theo schob den blassblauen Vorhang vor der Hüttentür beiseite und trat hinein. In einer dreieckigen Nische über dem Bettalkoven stand eine kleine, kegelförmige Öllampe, die ein mildes, goldenes Licht verbreitete. Malachi saß am Tisch, neben sich eine Kerze, und machte gerade einen Eintrag in sein Tagebuch, ein Notizbuch mit festem Einband, das Theo einem der Forscher von der geheimen Enklave abgeschwatzt hatte. Tisch und Stuhl hatten Uvovo-Maße, deshalb saß Malachi gebeugt. Als Theo eintrat, sah er kurz hoch und schrieb dann weiter.
    »Hallo, Major«, sagte er. »Sie leben, deshalb nehme ich an, dass Sie siegreich waren.«
    Er klang gelassen und beherrscht und sprach Anglik mit eigenartigem Akzent. Der Besatzung des Kolonieschiffs Forrestal hatten überwiegend Nordamerikaner und Deutsche angehört, doch die Amerikaner nahmen inzwischen anscheinend eine dominierende Stellung ein.
    »Wir haben standgehalten, der Gegner hat sich zurückgezogen, und es gab Tote auf beiden Seiten«, sagte er.
»Von einem Sieg würde ich nicht sprechen, aber mehr war nicht drin. Nun, Malachi, weshalb der Vorhang vor der Tür?«
    Der Tygraner beendete den Satz, klappte das Tagebuch zu und legte den Stift sorgfältig beiseite.
    »Einer der Uvovo, kein Einheimischer, hat mir einen Besuch abgestattet. Ich war … wenig mitteilsam, deshalb ist er gegangen. Dann kam der nächste, und da hab ich mir gedacht, mit einem Vorhang könnte ich mich besser abschotten.«
    Aber heute bist du mitteilsam,

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