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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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flüchten wollen.«
    Rosa musterte ihn nachdenklich. »Und was glaubst du, Daddy?«
    Er lächelte. »Ich bin in der Beziehung neutral, meine Liebe. So wie es unvernünftig ist, die Existenz eines höheren Wesens zu leugnen, kann ich ohne Beweis doch nicht glauben.«
    »Droiden und Mechas haben es ständig mit der Realität zu tun«, sagte Rosa. »Sie begehren nicht und sündigen nicht und lassen auch keine soziale Vielheit hinter sich zurück.«
    »Und es mangelt ihnen an der Vorstellung eines höheren Wesens«, sagte Robert. »Jedenfalls habe ich noch nie von einer Droidenreligion gehört.«
    »Unser Bargalil-Freund betrachtet die Gottheit aber offenbar als Gott. Dabei weiß ich aus zahlreichen Quellen, dass es sich um ein reales Wesen aus lebender Materie handelt - soviel ich weiß, herrscht sie weder über ein eigenes Paradies noch eine Hölle. Auf die Idee vom Leben nach dem Tod konnte nur ein organisches Wesen kommen …«

    »Ich glaube, das Schiff hat uns noch etwas zu den Koordinaten zu sagen«, meinte Rosa. »Und natürlich zu den Kursdaten.«
    »Ich habe die Werte aus dem Datenobjekt extrahiert und eine Kopie der Datei angefertigt«, sagte das Schiff. »Es scheint sich um einen verlässlichen Ortsdeskriptor zu handeln. Der Kurs ist berechnet. Wenn Sie möchten, können wir starten.«
    »Sind die Dockgebühren bezahlt?«, fragte Robert.
    »Mit großzügigem Aufschlag und im Voraus«, erwiderte die Plausible Antwort . »Wenn Sie möchten, werde ich die Docksysteme anweisen, die Parkklammern einzufahren.«
    »Bitte sei so freundlich.«
    Draußen peitschte der heulende Sturm dichte Schneeschleier über die Kranbrücken, Außenpiere und Ausleger des Docks von Malgovastek. Im Tosen der Elemente zeichneten sich verschwommen die orangefarbenen Halos der Laternenmasten ab, die unter der Wucht der Böen erbebten. Dann schlugen kräftige weiße Energiestrahlen aus der Unterseite der Plausible Antwort hervor, die auf einmal in ein grelles Licht getaucht wurde, und inmitten von Schneewirbeln erreichten die Manövriersuspensoren Betriebsleistung. Es rumste mehrfach in rascher Folge, dann stieg das Raumschiff aus der Parkbucht bis in eine Höhe von dreißig Metern auf. Es neigte sich vor, drehte sich auf der Nase und wurde von den in allen Regenbogenfarben leuchtenden Zwillingsschubtriebwerken und dem Rückentriebwerk in den ewigen Sturm der Shylgandischen Lakune hinauskatapultiert.
    Rosa meinte, der Flug zu Schicht 92 werde knapp dreißig Stunden dauern, worauf Robert, den das tagelange Warten in Malgovastek ausgelaugt hatte, sich zurückzog und neun Stunden lang durchschlief. Als er erwachte,
zwickte es ihn hier und da, doch nach zwanzigminütigem Training fühlte er sich wieder fit, hellwach und hungrig. Seine zurückgewonnene Jugend erinnerte ihn ständig daran, dass er seinem Alterungsprozess früher nicht genügend Widerstand entgegengesetzt hatte, was durch seine Diplomatenkarriere begünstigt worden war, die einem gesunden Lebenswandel im Wege stand.
    Und durch einen AI-Gefährten, der derlei Dinge für unwichtig hielt , dachte er eingedenk mehrerer Unterhaltungen, die er mit Harry über dieses Thema geführt hatte.
    Auf einmal fragte er sich, was wohl Harry zu dieser bizarren Reise in die Tiefen des Hyperraums gesagt hätte. Robert meinte beinahe, ihn zynisch lächelnd am V-Schirm stehen zu sehen, den einen Fuß auf den niedrigen Tisch gestellt: Aber Robert, du bist ja Altruist geworden! Diplomat -fass dich bei den Ohren!
    Doch er war in seinem Schädel allein mit seinen Gedanken und Meinungen. Anfangs war es nicht leicht gewesen, auf Harrys Gesellschaft verzichten zu müssen, auf seine unerschöpflich sprudelnden Ideen, seinen Rat und sein Hintergrundwissen zu allen möglichen Themen. Ohne ihn hatte er das Gefühl, allein auf Vermutungen und fadenscheinige Entscheidungen angewiesen zu sein, was seine Rolle in dieser Unternehmung immer unhaltbarer erscheinen ließ, je länger er darüber nachdachte.
    Roberts Stimmung verdüsterte sich, ihm sank der Mut. Wo ist nur dein Selbstvertrauen geblieben?, fragte er sich, in einem blauen Liegesessel ruhend. In früheren Zeiten hatten die Menschen Selbstbewusstsein und Erfahrung auf der Grundlage von hemdsärmligem Selbstvertrauen gewonnen, doch für Robert und die jüngeren Generationen war dieses Konzept lachhaft und obsolet geworden, oder schrumpelig , wie es in der Jupokultur hieß. Aber würde er
sich Harry oder eine andere AI noch einmal implantieren lassen, wenn das

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