Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
Vom Netzwerk:
zwischen Ruhe und Flucht, losgerissen von den Elementen, ein Traum der Komponenten und Einzelteile, eine Maske der Worte und Ängste …« Unvermittelt richtete der Bargalil sich auf, setzte sich auf die Hinterbeine und legte die stummelfingrigen Tatzen auf seine goldenen Augen. »Koordinaten … Sie müssen sich von Koordinaten leiten lassen … Zahlen, Ziffern, Zeichen, sie sind schon vorhanden, ruhen bereits im Energielabyrinth dieses klug gefertigten Maskenschiffsmaschinenbewusstseins … von den Vielen zum Einen, von den Vielen zum Einen … Ich muss den verborgenen Rhythmus finden, der von den Vielen zum Einen führt …«

    Der Bargalil-Mystiker verstummte und war eine Weile so still, als hielte er den Atem an. Dann:
    »Datenangriff!«, meldete die Plausible Antwort . »Indexanomalie gefunden, Integrität der Grundmatrix verletzt!«
    Rosa beugte sich vor. »Schiff, wo wurde die Anomalie lokalisiert?«
    »In den Kurs-Datenfiles des Navigationsspeichers. Das anomale Objekt wurde isoliert und gespiegelt und wird einer Parallelanalyse unterzogen … Analyse abgeschlossen. Das anomale Objekt stellt keinen bedrohungsrelevanten Vektor dar …«
    Als der Bargalil die Hände von den Augen nahm, hatte Robert den Eindruck, er wirke traurig. Die goldenen Augen richteten sich auf Rosa, die höflich lächelte.
    »Schiff«, sagte sie, »beschreibe das anomale Objekt.«
    »Es handelt sich um die Koordinaten eines Ortes in Schicht 92, auf einer schiefen Ebene.«
    Rosa nickte und wandte sich dem Sonnenfluss-Oszillanten zu, der sich wieder auf alle viere stellte. »Der Weg ist frei … der Weg wird euch zum Weg führen, der euch den Weg lehren wird …« Er blickte sich zum Ausgang um und schlurfte ein paar Schritte weit in die Richtung - dann stand er auf einmal vor der Schiebetür.
    »Einen Moment noch, weiser Oszillant«, sagte Robert und erhob sich. »Nach wem sollen wir suchen oder bei wem sollen wir uns erkundigen, wenn wir das nächste Ziel erreicht haben?«
    »Die Wege führen von den Vielen ins Viele-und-Eine. Tausche den Blick auf die Vielen gegen den aufs Eine, schüttle die Gedanken an die Vielen ab, um das Wesen des Einen zu verstehen, sperr das Geplapper der Vielen aus und lausche den reinen Harmonien des Einen. Dann wird das Eine dich erhören. Suche Wächter und Meditatoren
auf, suche jene auf, aus denen das Wesen des Einen hervorleuchtet, und sie werden dich erkennen.«
    Die Tür stand auf einmal offen, ohne zuvor aufgeglitten zu sein, und der Bargalil schlurfte hinaus. Dann hatte sich die Tür auch schon wieder geschlossen.
    Einen Moment lang sagte keiner ein Wort, dann kam Reski Emantes hinter einer Konsole hervorgeschwebt.
    »Was, im Namen der Vernunft, sollte das Gefasel?« Robert ließ sich nachdenklich wieder in den Sessel sinken und deutete zum Brückeneingang.
    »Wie hat er es angestellt, so plötzlich zu erscheinen und wieder zu verschwinden?«, fragte er Rosa. »Welche Art Technologie hat er dazu benutzt?«
    Achselzuckend wandte sie sich zur Hauptkonsole um. »Zustandskausale Phasenverschiebung - das ist eine sehr seltene Gabe, die allein Lebewesen vorbehalten ist. Anorganische Wesen sind dazu nicht in der Lage. Einfach ausgedrückt, ist der Bargalil imstande, die verschiedenen Zustände eines Objekts wahrzunehmen und es oder sich selbst in einen bestimmten Zustand zu versetzen.«
    »Zum Beispiel wie bei einer Tür, die auf oder zu sein kann?«
    »Oder bei einem Droiden im Zustand optimaler Funktionalität«, sagte sie. »Es funktioniert auch bei einem Haufen Einzelteile.«
    »Das würde ich gern einmal sehen«, bemerkte das Schiff.
    »Autsch, von euren bescheuerten Haarspaltereien wird mir ganz schlecht«, sagte Reski Emantes mit tiefer, ausdrucksloser Stimme, die ganz anders klang als sein üblicher Tonfall. »Was sollte das Geplapper von den Vielen und dem Einen? Ist mit dem Einen zufällig die Gottheit gemeint?«

    Die Rosa-Simulation blickte erwartungsvoll Robert an, der auf einmal um eine Antwort verlegen war.
    »Also, ja, das erscheint im Kontext nicht ausgeschlossen.«
    »Wer oder was sind dann die Vielen?«
    »Die soziale Matrix, welche die Sucher und Pilger - das heißt wir -, auf ihrem Weg zur Erleuchtung hinter sich lassen«, sagte Robert. »Einige Glaubensrichtungen rücken freilich das Begehren und die Sünden in den Mittelpunkt, die es abzuschütteln gilt. Manche weniger taktvolle Atheisten meinen, Religion sei nichts weiter als eine hübsche Scheuklappe für jene, die vor der Realität

Weitere Kostenlose Bücher