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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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schwang sich ins grüne Halbdunkel. Bei ihrem geträumten Sinkflug kam sie an Gregs Mutter vorbei, die eine Unterhaltung mit den Lauschern Weynl und Tema führte. Je tiefer Catriona sank, desto düsterer und unbelebter wurde es. Dann kam sie an Gregs Uvovo-Freund Cheluvahar vorbei, der auf dem Ende
eines entzweigebrochenen Astes stand und nach unten zeigte, während er ihr mit ernster Miene nachschaute.
    Plötzlich tauchten aus dem klaustrophobischen Schatten weniger willkommene er auf: Julia Bryce, mit ausdruckslosem Gesicht und abwesendem Blick; Utavess Kuros, der Botschafter der Hegemonie, Arme und Beine durch schwarze Metallprothesen ersetzt; mehrere groß gewachsene brolturanische Soldaten; und auf einem dicken Ast hockend fünf Ezgara-Soldaten, die sich mit ihren vier Armen an der Rinde festklammerten und ihr schweigend hinterhersahen, die Gesichter hinter undurchsichtigen Visieren verborgen.
    Ein metallisches Scharren, auffunkelnde Schuppen und ein von oben einfallender Lichtstrahl offenbarten ihre Umgebung.
    Maschinen klammerten sich an sämtliche Äste, krochen umher, baumelten herab, hatten sich an jedem Baumstamm verhakt, Maschinen in allen möglichen Größen und Formen, eine wartende, funkelnde Horde.
    In der Tiefe verdichtete sich die Dunkelheit, kühl und feucht, so schwarz wie Asche. Catriona kam auf einem schwarzen Hang zum Stillstand, wo es so schien, als hätte sich Segrana in schwarzen Grus verwandelt, in eine verkohlte Ödnis. Weiter oben am Hang stand ein niedriges Gebäude. Sie kletterte darauf zu und rutschte immer wieder in dem schwarzen, körnigen Morast aus, während sie die ganze Zeit das Gefühl hatte, hinter ihrem Rücken bewege sich etwas in der lichtlosen Wüste. Sie vernahm Klickgeräusche, ein leises Summen, das Knacken von Stahl. Vor ihr aber öffnete sich in dem gedrungenen Gebäude eine Tür, und ein langgestreckter Keil goldenen Lichts fiel auf den malträtierten Boden und verbreiterte sich, als sie näher kam.

    Sei hier, sagte Segranas Stimme in ihrem Kopf. Sei hier, sei hier und sprich, und sprich, sei hier, sei hier …
    Catriona eilte zur Tür, warf sich in das sich verströmende goldene Leuchten … und erwachte in einem silbrigblauen Licht. Ein blasser Lichtstrahl der Dariener Sonne hatte das dichte Laubwerk durchdrungen und fiel auf ihren Ruheplatz. Sie setzte sich auf, massierte sich die schmerzenden Schläfen und überlegte, was sie wohl aufgeweckt haben mochte …
    Der Traum! Ihr stockte der Atem, als die Erinnerung auf sie einstürzte, die Erinnerung an das Sinken, die feindlichen Maschinen, die schwarz verkohlte Ödnis und an Segranas Stimme, die sie mit unnachgiebiger, unausweichlicher Dringlichkeit lockte: Sei hier, sei hier …
    Eine knappe Stunde später ritt sie auf einem von Lauscher Okass und sechs bewaffneten Gütigen eskortierten Trictra über die letzten Astwege und Schlingpflanzenvorhänge zum Waldboden hinunter. Ulbywurzeln und Inekakäfer drängten die Dunkelheit zurück mit ihrem blaugrünen Schein, die zahllosen schwachen Lichtpünktchen verschmolzen zu einem dunstigen Umgebungslicht. Es war kühl und feucht, doch Catriona war in eine Decke und das mit kleinen Muscheln besetzte Schultertuch einer Küstenmutter gehüllt - die Muscheln klickten leise, als der Trictra schwankend am Stamm eines Säulenbaums hinunterkletterte.
    Als sie Lauscher Okass von dem Baum erzählt und ihm den unteren Aufbau geschildert hatte, hatte er ernst genickt und erklärt, er wisse, wo der Baum stehe. Und tatsächlich erblickte sie unten im Schatten, auf einer kleinen Erhebung und neben den gewaltigen bemoosten Baumstämmen zwergenhaft klein erscheinend, den Ort aus ihrem Traum. Als sie sich ihm näherte, stellte sie fest, dass in der einen Ecke des Gebäudes ein großer Baum Wurzeln
geschlagen und sich im Laufe von vielen Jahrzehnten durch die Wände gebohrt und gezwängt hatte, so dass er nun über einer eingestürzten Dachecke und Haufen geborstener Steine aufragte.
    Catriona ließ ihre Eskorte ein Stück weit vom Eingang entfernt warten und bahnte sich einen Weg über den von sich zersetzendem Mulch und dem von oben herabgefallenen Laub rutschigen steinigen Boden. Der Eingang hatte einen Säulenvorbau, dessen Decke und Wände mit Ulbywurzeln geschmückt waren. Hinter der Tür lag ein niedriger, kurzer Gang, der zu einer T-förmigen Kreuzung führte. Die beiden Arme führten im Bogen zum selben Ort, einem großen Raum, der fast die ganze Länge des Bauwerks einnahm.

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