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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Waffenlärm. Talavera überwachte ihren Transfer durch eine große Schleuse auf ein anderes Raumschiff mit blassen Wänden und Gängen mit rundem Querschnitt, ohne ihnen zu erklären, was vor sich ging. Ihre Handlanger brachten sie in einen Raum mit drei Doppelpritschen und einem abgetrennten Bereich, doch
auf Julias Fragen reagierte Talavera nur mit einem breiten Grinsen.
    »Willkommen bei der Revolution«, war alles, was sie sagte, bevor die einzige Tür des Raums sich schloss und verriegelte.
    Später besprachen sie leise die Geschehnisse und gelangten zu der grotesken Schlussfolgerung, dass Talavera den Passagieren in der Lounge gesagt habe, die Luft werde abgelassen, worauf sie gezwungen gewesen waren, um die wenigen Raumanzüge zu kämpfen. Erst ein paar Tage später, nach ihrer Ankunft auf Zophor 3, fand Julia bei der Lektüre eines Nachrichtenartikels im Zuge einer kurzen Schichtnetzrecherche heraus, dass ihre Vermutung zutraf.
    Der Tunnel mündete schließlich in eine große Höhle mit zwei gepanzerten Toren am anderen Ende. Hurnegur und Jeshkra warteten dort. Der große, vierarmige Henkayaner steckte in einem eckigen, mausgrauen Kampfanzug, während der Gomedraner einen mattschwarzen Anzug ohne besondere Merkmale trug, der in eine Art Kapuze auslief. Sie hoben die Hände, und die Prozession kam zum Stehen; die gepanzerten Tore glitten mit einem dumpfen Geräusch langsam auf.
    Von draußen drang Stimmenlärm herein, ein anschwellender Gesang, der in lauten Jubel mündete. Mit den Rebellenanführern an der Spitze näherte sich die Prozession den jubelnden Massen. Hurnegur und Jeshkra hielten auf einmal lange Holzstäbe mit silbernen Spiralmustern in Händen, die sie gleichförmig schwenkten, während die Menge unablässig lärmte. Julia wechselte einen Blick mit Konstantin und Irenja, dann fiel ihr ein, dass Talavera von einer kleinen Zeremonie gesprochen hatte. Hinter den Panzertoren war ein überdachter Weg, ein mit Plastikplanen
in gebrochenem Weiß verkleidetes Gerüst. Fromme Spiralgläubige drängten sich hinter niedrigen Absperrgittern, die von Wachleuten mit Schockknüppeln bewacht wurden. Der Gang war mit einer weichen Matte ausgelegt, die den steinigen Untergrund abpolsterte.
    Als die erste lange, mitternachtsblaue Rakete in Sicht kam, stimmte die Menge ein frenetisches Gebrüll an. Kurz darauf kam die Prozession zum Halten, die beiden Rebellenführer traten an die Absperrung und musterten die Zettel, die von Personen in der Menge hochgehalten wurden. Dann kamen sie mit zwei Pilgern in abgerissener Kleidung zurück, einem Kiskashin und einem Gomedraner, die kleine schwarze Stöcke gereicht bekamen, worauf man sie zu den Raketen geleitete. Auf einmal wurde Julia bewusst, dass die Gläubigen mit metallisch glänzender Tinte schnörkelige Buchstaben malten. Nach einer Weile traten die Pilger wieder hinter die Absperrung, und die Prozession ging weiter.
    Etwa alle zehn Schritte stockte der Vormarsch, und das Schreibritual wiederholte sich. Inzwischen hatten Julia und die anderen Getunten die Höhle hinter sich gelassen und waren den Blicken der fanatischen Gläubigen ausgesetzt. Jetzt wurde ihr klar, dass die Kapuzengewänder eine spezielle Funktion hatten, denn sie verbargen weitgehend ihre fremdartigen Menschengesichter und engten ihr Gesichtsfeld ein. Aus Neugier riskierte Julia trotzdem einen kurzen Blick, doch in der Menge waren keine anderen Gesichter zu sehen als die, denen sie seit ihrer Ankunft, ihrem ersten Tag auf Zophor 3, immer wieder begegnet war …
    Nach einem knappen Tag an Bord von Talaveras zylindrischem Raumschiff waren sie auf einen kleinen, ramponierten Frachtraumer umgestiegen. Als das Schiff unter heftigen Erschütterungen in die Atmosphäre einer unbekannten
Welt eintauchte, hatte Talavera sie mit ihrem gefährlichen, schadenfrohen Blick gemustert.
    »Für gewöhnlich werden Revolutionsrekruten auf dem schnellsten Weg in den Kampf geschickt, notfalls auch mit Zwang«, hatte sie gesagt. »Ihr fünf Typen aber seid was Besonderes. Hab von euren getunten Gehirnen gehört, von den Neuralverbindungen, die ihr selbst programmieren könnt. Ich meine, ihr habt ja praktisch’nen Quantenrechner im Kopf, den ihr ein Leben lang optimiert. Das ist ja fast so was wie eine hoch autonome AI, aber ohne diese ganzen Schichtnetz-Bugs und diesen Loyalitätskram. Jeder Einzelne von euch hat einen unschätzbaren Wert - und ich habe gleich fünf von der Sorte!« Sie schnippte mit den

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