Wait for You: Roman (Wait for You-Serie) (German Edition)
nachdem ich im Herbst mit dir gesprochen hatte.«
»Ihr habt meinen Geburtstag vergessen«, brach es aus mir heraus.
Sie legte in einer eleganten Bewegung den Kopf schräg. »Haben wir das?«
Ich starrte sie einen Moment an, während ich nur denken konnte, was für ein Miststück sie war. Wut stieg in mir auf, doch ich drängte das Gefühl zurück. Wut brachte einen bei Mrs Morgansten nicht weiter. Man musste sie in ihrem eigenen Spiel schlagen – ruhig bleiben, gefasst sprechen. »Ich bin nicht wegen meiner Sachen hier.«
»Bist du hier, um wieder einzuziehen?«, fragte sie, klang allerdings nicht allzu hoffnungsvoll. Sie klang nach gar nichts. Ich fragte mich, ob sie sich auch ihre Stimme hatte operieren lassen. Sie war so ausdruckslos wie ihr Gesicht.
»Nein.« Fast hätte ich geschnaubt. »Ich bin hier, um mit dir und Dad zu sprechen. Ist er zu Hause?«
Sie antwortete nicht sofort. »Er sitzt draußen auf dem Patio.«
Die meisten Leute hätten es eine Veranda genannt, aber nicht so Mom. »Na, dann lass uns gehen.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, schob ich mich an ihr vorbei und ging nach unten. Sie tingelte hinter mir her, und ich konnte spüren, wie ihre Blicke sich in meinen Rücken bohrten. Ich fing an zu zählen. Ich schaffte es bis fünf und auf die unterste Stufe, bevor sie den Mund öffnete.
»Warst du in letzter Zeit beim Friseur?«
»Nein.«
Ich hörte ein leises Schnauben. »Das sieht man.«
Ich seufzte. »Warum hast du dann gefragt?«
Mom antwortete nicht, bis wir den Raum erreichten, der sich auf die Veranda öffnete. »Was hast du da eigentlich an?«
»Zeug aus dem Secondhandladen«, antwortete ich, obwohl es nicht stimmte.
Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Sehr nett, Avery.«
Ich verdrehte die Augen, während ich die Tür öffnete, halb in Versuchung, durchs Haus zu rennen und mich auf den weißen Möbeln zu wälzen. Dad saß auf einer der Chaiselongues und las eine Zeitung. Ich wollte etwas sagen, doch Mom kam mir zuvor.
»Schau, wer sich entschieden hat, uns einen Besuch abzustatten.«
Dad senkte die Zeitung und sah auf. Überraschung blitzte in seinem Gesicht auf. »Avery.«
»Hey, Dad.«
Er richtete sich auf, faltete die Zeitung und legte sie zur Seite. »Wir haben dich nicht erwartet.«
Kein »Wie geht es dir?« oder »Schön, dich zu sehen!«. Ich setzte mich auf einen der Korbstühle. »Ich weiß. Ich werde auch nicht lange bleiben.«
»Sie möchte mit uns reden.« Mom blieb stehen. »Ich kann mir nicht ausmalen worüber, aber in der Einfahrt steht ein Mietwagen und darin sitzt ein Junge.«
Ich ignorierte sie. »Das hier hat nichts mit dem Mietwagen oder demjenigen zu tun, der darin sitzt.«
»Ich möchte auch hoffen, dass du nicht den weiten Weg auf dich genommen hast, um darüber zu reden«, antwortete sie.
Ich holte tief Luft. »Ich habe mit David gesprochen.« Mein Vater erstarrte, und Mom blieb erstaunlich still. Gute Zeichen. »Er hat mir von Molly Simmons und Blaine Fitzgerald erzählt, und von dem, was letzten Sommer geschehen ist – und was diesen Sommer geschehen wird.«
»Avery…«
»Nein.« Ich schnitt Mom das Wort ab, bevor sie etwas sagen konnte, was mich wütend machen würde. »Ich habe die Vereinbarung nicht gebrochen. Ich habe all die Jahre meinen Mund gehalten. Ich habe genau das getan, was ihr beide mir befohlen habt.«
Mom richtete sich höher auf. »David hatte kein Recht, dich anzurufen…«
»Warum nicht?«, verlangte ich zu wissen. »Verstößt es gegen das Gesetz, mich wissen zu lassen, dass Blaine noch ein Mädchen vergewaltigt hat, genau wie er mich vergewaltigt hat?«
Dad schnappte nach Luft. Aber Mom… sie wurde weißer, als es möglich sein sollte. »Es gibt keinen Grund, das so krass auszudrücken«, sagte sie, während sie die Arme verschränkte. »Wir wissen, was du behauptet hast…«
»Was ich euch in der Nacht im Krankenhaus erzählt habe, war dasselbe, was ich auch der Polizei gesagt habe. Blaine hatte mich vergewaltigt. Ihr beide habt beschlossen, ich solle die Anzeige zurückziehen, was alle glauben ließ, dass ich gelogen hätte.«
»Avery«, setzte mein Vater an.
Ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Der Grund, warum ich überhaupt hierhergekommen bin, ist, dass ich das, was mir geschehen ist, hinter mir lassen muss. Und der einzige Weg, wie ich das schaffe, ist, euch endlich zu sagen, was ich damals hätte sagen müssen.« Ich holte tief Luft, obwohl es eigentlich nicht nötig war. »Ihr beide wart
Weitere Kostenlose Bücher