Wald-Schrat
Jahre alt, deshalb wird der Nebelmantel nicht sehr groß sein.« Aus ihren Fingerspitzen quollen bereits Nebelfinger, die sich ausbreiteten und ringsum niedergingen. Leider sanken sie zu tief, sodass die Köpfe der drei herausschauten und von den Drachen erspäht wurden. »Besser geht’s nicht«, sagte Katrin. »Wir müssen uns ducken und darunter verstecken.«
Sie kauerten nieder. Der Nebelmantel schloss sich über ihren Köpfen und verbarg sie vor Blicken aus der Luft. Leider erschwerte er es ihnen zugleich, den Weg zu finden.
Im nächsten Moment hörten sie ein lautes Stampfen. »Ein Oger!«, wisperte Katrin ängstlich. Forrest sagte sich, dass sie als Kind natürlich viel mehr Angst vor Ungeheuern hatte denn als Erwachsene.
Vorsichtig schob er den Kopf aus dem Nebelmantel hervor und lugte zum Himmel. Kreisend suchten die Drachen nach ihrer Beute. Sie waren kleiner, als er sie in Erinnerung hatte, gewiss, weil sie hier jünger waren. Als der Oger näher kam, groß und hässlich wie er war, starrten die Drachen ihn an.
»Bleibt hier nicht, Drachengezücht!«, brüllte der Oger und schüttelte eine schinkengroße Faust nach ihnen.
Die Drachen wussten natürlich, dass er sie nicht packen konnte. Sie waren jung und auf Schabernack aus. Einer flog heran und ließ eine Dungkugel auf den Oger fallen. Zwar verfehlte sie ihn knapp, doch einiges spritzte beim Aufprall hoch und befleckte die haarige Haut des Ogers.
Der Oger knurrte. Nicht, dass der Unrat ihn gestört hätte; nur war er nicht dumm genug, um nicht zu wissen, wann man ihn beleidigte. Zu Recht sind die Oger stolz auf ihre Dummheit, aber auch sie hatte ihre Grenzen. Er bückte sich, hob einen Felsen auf und schmiss ihn nach dem Drachen. Der Drache versuchte auszuweichen, doch der Steinbrocken traf ihn mit voller Wucht am Schwanz und rollte ihn auf den Rücken. Verzweifelt wand sich der Drache, um nicht abzustürzen, und flatterte eilig davon, als er seinen Flug stabilisiert hatte. Augenblicklich folgten ihm die anderen Drachen – sie wollten sich nicht mit einem Oger auf seinem Gebiet anlegen.
Befriedigt stapfte der Unhold davon. Ganz offensichtlich bewachte er die Grenze.
Der Nebelmantel dünnte sich aus. Schon bald würde er keinen Schutz mehr bieten, und was ihre Sicherheit anbetraf, so war ein Oger um keinen Deut besser als die Drachen. Zwar hätte Katrin ungehindert davonfliegen können, doch dazu war sie zu höflich.
Daher richtete sie sich auf und rief den Mantel zurück. Die Nebelstreifen verschwanden in ihren Händen, und der Boden war wieder frei.
Entschlossen nahm Imbri den Marsch wieder auf. »Es kommt näher«, sagte sie.
»Das ist gut«, erwiderte Katrin, denn sie sah nun eher sieben- als achtjährig aus. Ganz offensichtlich näherte sie sich bald der Altersgrenze, die sie nicht überschreiten konnte.
Sie erstiegen einen Hügel und blickten auf ein gewaltiges Schloss, das keinen Graben hatte und vermutlich auch keinen benötigte, denn die zerschlagenen, zersplitterten Bäume ringsum ließen keinen Raum für Zweifel an der Natur seines Bewohners. Wer anders als ein Oger sollte im Ogergebiet hausen?
»Da drinnen ist er«, sagte Imbri. »Da drin befindet sich der eine, der weiß, wo das Liebes-Horn ist.«
»Ich glaube nicht, dass außer dem Oger noch jemand da drin ist«, meinte Katrin. »Ich halte es für keine gute Idee, hineinzugehen.«
»Aber wenn er derjenige ist, der Bescheid weiß, dann müssen wir ihn fragen«, entgegnete Forrest.
»Oger fressen andere Leute und zermalmen ihre Knochen«, erinnerte Katrin ihn erschauernd. Als Kind mangelte es ihr an Mut.
»Aber das ist doch nur zeitweilig, oder?«, fragte Imbri. »Weil ihr alle bloß Geister seid, könnt ihr gar nicht wirklich umgebracht oder zerstört werden?«
»Schon, aber es tut schrecklich weh, zermalmt zu werden. Und wenn er dich zerquetscht hat, dann verschwindest du aus dem Gebiet. Du kannst nie wieder an die Stelle zurückkehren, an der du gestorben bist, genauso, wie du weder deine Geburt noch dein natürliches Ende überschreiten kannst.«
»Du meinst, die Leute hier können doch sterben?«, fragte Forrest besorgt.
»Nicht ganz. Wir sterben nur begrenzt.«
»Wie kann der Tod denn begrenzt sein?«
»Er ist auf das Gebiet beschränkt, in dem man gestorben ist. Man entsteht zwar wieder neu, aber an die Stelle seines Todes kann man nie wieder zurückkehren. Nicht einmal in die Nähe kommt man. Die Grenze liegt etwa sechs Monate zu beiden Seiten, nach Von und Hin,
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