Wald-Schrat
es einmal so: Wenn ich zermalmt werde, seid ihr immer noch hier, um es aufs Neue zu versuchen. Vielleicht habt ihr mehr Erfolg als ich. Wenn ich aber schon Erfolg habe, kann ich den Oger bitten, euch beide ins Schloss zu lassen. Also braucht ihr das Risiko auf keinen Fall auf euch zu nehmen, es sei denn, ihr entscheidet euch dafür.«
»Ich gebe es nur ungern zu«, sagte Katrin, »aber Forrest hat Recht.«
»Faune sind vernünftiger als ich dachte«, stimmte Imbri zu.
»Und haben mehr Mut als ich glaubte.«
»Na ja, wir jagen schließlich nicht den ganzen Tag Nymphen«, sagte Forrest verlegen. »Also, wie kann ich mich hässlich machen?«
»Wozu es versuchen?«, fragte Imbri. »Fordere ihn doch einfach heraus und verliere. Er merkt den Unterschied sowieso nicht.«
Er nickte. »Ich versuch’s.« Er straffte die Schultern und wollte sich auf den Weg zum Schloss machen.
»Warte!«, rief Imbri. »Falls du doch zermalmt wirst, wo wirst du dich wieder neu bilden?«
Er blieb stehen. »Wie weit ist ein halbes Jahr entfernt?«
Katrin überlegte kurz. »Etwa an der Stelle, wo wir aus dem verscherzten Land herausgekommen sind.«
»Gut, dann werde ich mich dort bilden, aber auf dieser Seite davon.«
»Einverstanden«, sagte Imbri. »Und Forrest – sei vorsichtig!«
Er lachte auf. »Wenn ich vorsichtig wäre, würde ich um jedes Ogerschloss einen großen Bogen machen.« Damit marschierte er los.
Je näher er der Festung kam, desto größer und hässlicher ragte sie auf. Groß und breit erschien das Bauwerk ihm; es war mit schmutzigem Stroh gedeckt, und auf den Steinmauern wieherten Schimmel-Pilze.
Die große Eingangstür war gut doppelt so hoch wie er und bestand aus Eisenholz.
Vor der Tür blieb er stehen. Allein anzuklopfen kostete ihn Überwindung, doch er hob die Faust und pochte an das Holzeisen.
Als niemand kam, um ihm zu öffnen, pochte er lauter – ohne Erfolg. Vermutlich hörte der Oger ihn gar nicht, denn aus dem Schloss drang ununterbrochenes Rumpeln und Poltern, als schlüge dort etwas Großes brutal gegen die Wände.
Als er sich umsah, entdeckte er eine große Glocke, auf der das Wort WETTER stand. Daneben hing eine massive Metallstange. Er nahm sie in die Hand, hob sie über seinen Kopf und schlug damit auf die Wetterglocke.
Ein lautes Läuten erklang, gefolgt von Donnergrollen. Über der Glocke ballte sich eine Gewitterwolke zusammen, aus der Blitze hervorzuckten und in die Glocke einschlugen, wodurch sie erneut läutete. Dann schüttete die Wolke einen Regeneimer auf die Glocke aus. Das Läuten verebbte, und die Wolke verzog sich.
Hinter der Tür rumorte es. Dann wurde sie so rasch und so vehement nach innen aufgerissen, dass der Sog der Luft Forrest über die Schwelle riss. Der Faun stolperte in das Schloss, und nur seine Sandalen bewahrten ihn vor einem Sturz.
Vor ihm stand der Oger: doppelt so groß wie ein Menschenmann, am ganzen Körper behaart und übermäßig muskulös. »Wer der?«, verlangte das Ungetüm zu erfahren.
»Ich… ich bin Forrest Faun. Ich bin zu einem Hässlichkeitswettstreit gekommen.«
Der Oger dachte darüber nach. Forrest wusste, dass er nachdachte, denn die ungewöhnliche Anstrengung erhitzte ihm den Kopf, und große Flöhe sprangen ab, um ihre Füße vor Verbrennungen zu bewahren. Dann beschloss der Oger, sich vorzustellen. »Orgy, das bin i’.«
So weit, so gut. »Ich bin hässlicher als du!«
Orgy Oger starrte auf ihn herab. »Faun hässlich? Langweilig grässlich.«
»Ich beweise es dir. Hast du einen Spiegel?«
Orgy schüttelte den zottigen Kopf. »Spiegel nur Schutt, Oger machen kaputt.«
Er meinte also, sein Gesicht sei so hässlich, dass jeder Spiegel, der es reflektierte, darunter zerbrach. Das war eine Komplikation, die Forrest nicht bedacht hatte. Wie sollte er den Wettstreit verlieren, wenn sie nicht ihre Gesichter vergleichen konnten? Vielleicht genügte es, wenn sie sich im Wasser spiegelten. »Hast du einen Teich?«
»Sicher Teich, voller Seich.«
»Dann wollen wir unsere Gesichter in dem Teich vergleichen, dann sehen wir, wer von uns hässlicher ist.«
Orgy überlegte, und noch mehr Flöhe wurden obdachlos. Schließlich entschied er sich. »Für mich sein fein.« Er drehte sich um und führte Forrest hinein.
Auf dem Weg durch das Schloss bemerkte der Faun, dass das Gebäude in Trümmern lag. Die Wände waren eingeschlagen worden, und die Mauersteine lagen verstreut auf dem Boden. Der Oger trat sie geistesabwesend aus dem Weg, ohne sie
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