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Wald-Schrat

Titel: Wald-Schrat Kostenlos Bücher Online Lesen
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angemessen respektvoll auftreten.«
    »Gegenüber einem Oger?«, fragte Katrin ungläubig.
    Forrest begriff, dass hier ein gewisses Problem bestand. »Eigentlich ist er ein recht kultiviertes Geschöpf. Ihr müsst ihn nur als solches betrachten.«
    Die beiden Stuten tauschten einen Bedeutsamen Blick aus. »Selbst ein Stinkhorn hat in gewisser Weise seine Kultur«, sagte Imbri zu niemand Besonderem.
    Die beiden waren zu eng in ihren Vorurteilen verhaftet. Diese Vorurteile musste Forrest beseitigen, sonst konnten die beiden niemals gefahrlos das Ogerschloss betreten. »Erinnerst du dich noch, wie ihr mich zuerst gesehen habt? Nur ein Faun, der Ausschau nach einer Nymphe hält, um sie zu jagen?«
    Sie nickten.
    »Seht ihr mich heute noch immer so?«
    »Nein«, sagte Katrin. »Du hast erheblich mehr Charakter, als ich dir ursprünglich zugetraut hätte.«
    »Also gibst du zu, dass du anfangs auf der Grundlage eines Vorurteils geurteilt hast?«
    »Unsinn! Zentauren haben keine Vorurteile!« Doch dann überlegte sie. »Andererseits bin ich hier sehr jung, also hast du vielleicht doch Recht.«
    »Du hältst es also für denkbar, an dem Oger respektgebietende Eigenschaften entdecken zu können, wenn du ihn nur ohne Vorurteile betrachtest?«
    »Einen Oger?« Dann wurde ihr bewusst, was sie gesagt hatte, und sie lachte hell auf. »Du willst doch wohl kein Zentaurenfohlen auf den Arm nehmen, oder?«
    »Nein. Es ist mir vollkommen ernst damit. Es ist eine Angelegenheit von Leben oder Zermalmen. Der Oger zermalmt niemanden, der ihn als Individuum achtet.«
    Imbri hatte ein anderes Problem. »Einen Oger zu respektieren ist ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich. Sie sind viehisch und roh.«
    »Dann respektiere ihn eben für seine viehische Rohheit. Aber du musst anerkennen, dass er für sich genommen einen Wert besitzt.«
    »Nun, das kann ich zumindest versuchen.«
    »Ja, ich auch«, stimmte Katrin zu. »Selbst wenn er mich doch zerquetscht.«
    Am Schloss blieben sie vor der Eisenholztür stehen. »Nun denkt daran: Er ist ein Individuum. Das merkt ihr an dem, was er sagt – es reimt sich nicht.«
    »Alle Oger sprechen in Knüttelversen und Schlagreimen«, entgegnete Katrin. »Das hängt mit ihrer gewalttätigen Natur zusammen.«
    »Nein. So werden sie nur von unwissenden Fremden gehört. Wenn er für euch in Reimen spricht, dann sagt nichts, sonst weiß er, dass ihr ihn nicht respektiert.«
    »Das ist bizarr«, bemerkte die Zentaurin.
    Forrest ergriff die Stange und läutete die Wetterglocke. Das schwere kleine Unwetter braute sich zusammen, und der Lärm rief Orgy Oger an die Tür. Diesmal wurden sie alle drei vom Luftzug in die Diele gesaugt. Vor ihnen stand der Oger, riesig und viehisch wie eh und je.
    »Orgy, das sind meine Freunde Mähre Imbrium und Katrin Zentaur«, sagte Forrest. »Mährdels, das ist Orgy Oger, Herr dieses Schlosses.«
    »Hallo, Orgy«, sagte Imbri tapfer.
    »Ebenfalls«, sagte Katrin, die aussah, als wollte sie am liebsten die Flügel ausbreiten und abschwirren.
    »Ich freue mich, eure Bekanntschaft zu machen, schöne Stuten«, sagte Orgy höflich.
    Imbri zögerte kurz und lächelte. »Ich umgekehrt natürlich auch, hässlicher Oger«, antwortete sie.
    Katrin hingegen hielt den Mund, und Forrest wusste, dass sich Ärger ankündigte.
    Orgy starrte die Zentaurin an. »Bitte wiederhole, was ich gerade gesagt habe«, verlangte er.
    Katrin trat mit allen Hufen einen Schritt zurück; sie wirkte doppelt so nervös wie zuvor.
    »Aber er hat doch nur gesagt – «, begann Forrest, doch ein zwingender Blick des Ogers schnitt ihm das Wort ab. Diese Prüfung, so wurde ihm klar, musste die Zentaurin allein bestehen.
    »Du hast gesagt: ›Ich euch was tuten, ihr Stuten‹«, antwortete sie. Dann, nach einem halben Stocken, dachte sie nach. »Nein, Moment, das stimmt ja gar nicht. Du hast gesagt… du hast gesagt, du würdest dich freuen, hast unsere Bekanntschaft gemacht und uns schöne Stuten genannt.«
    Forrest seufzte still vor Erleichterung. »Also, willkommen in meinem Schloss«, sagte Orgy einladend und führte sie durch die Diele.
    Eine Mauer, von der Forrest sicher war, dass sie vorhin noch in Trümmern gelegen hatte, erschien nun völlig solide. Vielleicht folgten sie gerade einem anderen Gang. Aber gab es überhaupt einen zweiten Gang?
    Schließlich kamen sie in einen großen Saal, der nur spärlich eingerichtet war. »Ihr müsst hungrig sein«, sagte Orgy. »Kommt und setzt euch an meinen

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