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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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sie an einem guten Tag tausend Tonnen schaffen könnten, in etwa der Ertrag der Fläche eines Morgens. Wie auf terra firma hatten sich tiefe Furchen und Fahrrinnen auf dem Eis gebildet, da die Schlitten immer in den gleichen Spuren fuhren.
    Die Pferde fraßen ihren Hafer aus ausgehöhlten Eisblöcken wie aus Eimern. Im Freien schichteten sie die Eisblöcke zu großen Stapeln von fünfunddreißig Fuß Höhe und hundert bis
    hundertzwanzig Fuß Seitenlänge. Zwischen die äußeren Lagen wurde Heu gestopft , um die Luft abzuhalten, denn wenn der Wind, der doch nie so kalt wie das Eis ist, hindurchbläst, frißt .
    er große Höhlungen in das Eis, läßt nur hier und dort leichte Stützen und Eckpfeiler stehen und wirft schließlich den ganzen Turm um. Anfangs sah dieser wie eine große blaue Festung oder die Walhalla aus; doch als die Leute grobes Wiesenheu zwischen seine Spalten stopften und dieser Rauhreif und Eiszapfen ansetzte, sah der Eisbau wie eine ehrwürdige, moosbewachsene, bereifte Ruine von azurfarbenem Marmor
    ms, der Wohnsitz des Väterchens Winter, jenes alten Mannes aus dem Almanach - sein Häuschen, als hätte er die Absicht, darin mit uns zu übersommern. Die Männer schätzten, daß kaum ein Viertel des Eises seinen Bestimmungsort erreichen würde und zwei bis drei Prozent auf der Bahnfahrt verloren gingen; ein noch größerer Teil des Eishaufens jedoch hatte ein anderes Schicksal, als ihm zugedacht war: Sei es, daß sich das Eis nicht so gut hielt, wie man erwartet hatte, sei es aus
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    irgendeinem anderen Grund - kurz, es kam nie zum Verkauf.
    Der verbleibende Haufen des Winters 1846/47 von etwa
    zehntausend Tonnen wurde schließlich mit Heu und Brettern zugedeckt; obwohl man ihn im nächsten Juli wieder bloßlegte, einen Teil fortschaffte und das Übriggebliebene der Sonne ausgesetzt war, blieb er während des ganzen Sommers und während des folgenden Winters stehen und war erst im
    September 1848 ganz geschmolzen. Auf diese Weise erhielt der See den größeren Teil seines Wassers wieder zurück.
    Wie das Wasser hat das Eis des Waldensees aus der Nähe
    einen grünlichen Farbton, aus der Ferne aber ist es
    wunderschön blau und von dem weißen Eis des Flusses und dem ausgesprochen grünen anderer Seen der Umgebung leicht zu unterscheiden. Vom Schlitten eines Eisarbeiters fällt manchmal einer dieser großen Blöcke herunter auf die
    Dorfstraße, wo er eine Woche liegenbleibt wie ein Smaragd, Objekt der Neugier der Vorübergehenden. Es fiel mir auf, daß ein Teil des Waldensees, dessen Wasser grün wirkte, von derselben Stelle gesehen, in gefrorenem Zustand oft blau erschien. Auch die um den See liegenden Wasserlöcher sind im Winter manchmal mit dem gleichen grünen Seewasser
    gefüllt, das dann einen Tag später in blaues Eis verwandelt ist.
    Vielleicht hängt diese Blaufärbung des Wassers und des Eises mit seinem Licht- und Luftgehalt zusammen, und sie sind dort am blauesten, wo sie am transparentesten sind. Eis ist ein interessanter Gegenstand der Kontemplation. Man hat mir erzählt, daß «s in einigen Eishäusern am Frischsee fünf Jahre altes Eis gebe, das noch unverändert gut sei. Wie kommt es, daß Wasser in einem Eimer so bald zu faulen beginnt, während es gefroren immer frisch bleibt? Der gleiche Unterschied besteht zwischen den Empfindungen und dem Verstand, sagt man. So sah ich sechzehn Tage lang von meinem Fenster aus hundert Männer wie fleißige Farmer bei der Arbeit mit Waren und Pferden und Ackergeräten aller Art, ein Bild, wie es die Titelseite eines Almanachs zeigt; und so oft ich hinausschaute, mußte ich an die Fabel von der Lerche und den Schnittern denken oder an das Gleichnis vom Sämann. Nun sind sie alle
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    wieder fort, und in weiteren dreißig Tagen werde ich vielleicht von demselben Fenster aus auf das reine, meergrüne Wasser des Waldensees blicken, das Wolken und Bäume spiegelt,
    während er einsam seinen Atem nach oben sendet, und nichts mehr wird daran erinnern, daß dort einmal Menschen
    gestanden haben. Vielleicht werde ich das Gelächter des Eistauchers hören, der im Seewasser taucht und sich das Gefieder putzt, oder einen einsamen Fischer in seinem Boot sehen, gleich einem auf den Wellen treibenden Blatt, der dort, wo noch vor kurzem hundert Arbeiter auf festem Boden
    standen, sein Spiegelbild in den Wellen betrachtet. Und so kommt es, daß möglicherweise die verschmachtenden
    Einwohner von Charlestown und New Orleans, von Madras,
    Bombay

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