Walden Ein Leben mit der Natur
Grenzerleben zu führen, nur um zu erfahren, was die notwendigsten Lebensbedürfnisse eigentlich sind und welche Methoden es gibt, sie zu befriedigen; oder auch in den alten Büchern der Kaufmänner nachzusehen, was die Menschen am häufigsten in den Geschäften kauften, was gelagert wurde,
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welche die gängigsten Lebensmittel waren. Denn die
Fortschritte von Jahrhunderten haben die grundlegenden
Gesetze der menschlichen Existenz nur wenig beeinflußt; so wie sich unsere Skelette wahrscheinlich nicht von denen unserer Vorfahren unterscheiden.
Unter dem Wort Lebensbedürfnisse verstehe ich alles, was sich der Mensch durch eigene Mühe erwirbt, was ihm seit jeher oder durch lange Gewöhnung so wichtig geworden ist, daß
höchstens Wilde, Arme oder Philosophen je versuchten, ohne es auszukommen. Für die meisten Geschöpfe gibt es in dieser Beziehung nur ein Lebensbedürfnis, die Nahrung. Für den Büffel in der Prärie werden es ein paar Büschel schmackhaften Grases und ein Trunk Wasser sein; es sei denn, daß er gerade den Schutz des Waldes oder den Schatten eines Berges
aufsucht. Kein Geschöpf der Tierwelt braucht mehr als Nahrung und Unterschlupf. Die Lebensbedürfnisse eines Menschen
unseres Klimas lassen sich ziemlich vollständig unter den Begriffen Nahrung, Wohnung, Kleidung und Brennstoff zusammenfassen. Denn erst wenn wir uns diese gesichert
haben, können wir mit freiem Kopf und mit einiger Aussicht auf Erfolg auf die wahren Probleme des Lebens eingehen. Der Mensch hat nicht nur Häuser erfunden, sondern auch Kleidung und das Zubereiten der Nahrung; und aus der zufälligen
Entdeckung der Feuerwärme und ihrem ständigen Gebrauch
entwickelte sich vermutlich das heutige Bedürfnis, am Feuer zu sitzen. Wir sehen, daß auch Katzen und Hunde sich dies zur zweiten Natur gemacht haben. Durch entsprechende
Behausung und Kleidung erhalten wir die uns notwendige
innere Wärme. Beginnt aber nicht mit einem Übermaß an
beidem oder an Heizung allein, also mit einer größeren
äußeren als der eigenen inneren Wärme eigentlich schon ein Kochen? Der Naturforscher Darwin berichtet aus Feuerland, daß seinen Leuten, die warm angezogen nahe am Feuer
saßen, keineswegs zu heiß gewesen sei, während zu seiner Überraschung den nackten Eingeborenen, die weiter entfernt standen, bei diesem »Rösten« der Schweiß heruntergeronnen wäre. Ebenso wird erzählt, daß der Neuholländer ruhig nackt
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herumläuft, während der Europäer in seinen Kleidern friert.
Sollte es nicht möglich sein, diese Widerstandsfähigkeit wilder Völker mit der Intelligenz des zivilisierten Menschen zu vereinen? Laut Liebig ist der menschliche Körper ein Ofen und die Nahrung der Brennstoff, der die Verbrennung in den Lungen aufrechterhält. Bei kaltem Wetter essen wir mehr, bei warmem weniger. Die tierische Wärme ist das Ergebnis einer langsamen Verbrennung, während Krankheit und Tod eintreten, wenn
diese zu rasch vor sich geht. Auch Mangel an Brennstoff oder Luftzufuhr kann das Feuer zum Erlöschen bringen. Natürlich darf Lebenswärme nicht mit Feuer verwechselt werden; so weit zur Analogie. Es scheint also, daß nach der obigen Liste der Lebensbedürfnisse der Ausdruck tierisches Leben fast gleichbedeutend mit dem Ausdruck tierische Wärme ist; denn während man Nahrung als den Brennstoff betrachten mag,
welcher das Feuer in uns aufrechterhält - der eigentliche Brennstoff wird nur dazu gebraucht, Nahrung zuzubereiten oder durch äußeres Zutun unsere Körperwärme zu erhöhen -,
dienen Wohnung und Kleidung hauptsächlich dazu, die so
erzeugte und aufgenommene Wärme zu erhalten.
Die wichtigste Notwendigkeit für unseren Körper ist demnach, warm zu bleiben, die Lebenswärme in uns zu erhalten. Wieviel Mühe machen wir uns, nicht allein, was Nahrung, Kleidung und Wohnung betrifft, sondern auch unsere Betten, die unsere Nachthüllen sind, Wohnungen in den Wohnungen,
derentwegen wir die Vögel ihrer Brutstätten und ihres Gefieders berauben; so gleichen wir dem Maulwurf, der im hintersten Winkel seines Baues ein Bett aus Gras und Blättern bereitet!
Der Arme klagt gewöhnlich darüber, wie kalt diese Welt sei.
Und auf Kälte, sowohl der physischen als auch der sozialen, beruht ein großer Teil unserer Leiden. Das Klima mancher Breitengrade ermöglicht dem Menschen im Sommer ein
geradezu paradiesisches Leben: Brennstoff wird nicht
gebraucht, es sei denn zum Kochen. Die Sonne ist das Feuer, und viele
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