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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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tatsächlich als Lebensnotwendigkeiten betrachtet werden, während sie anderen bloß als Luxus erscheinen und wieder anderen überhaupt unbekannt sind.
    Manche meinen, das ganze Leben mit all seinen Höhen und Tiefen sei von ihren Vorgängern erprobt und für alles sei vorgesorgt worden. Laut Evelyn »traf der weise Salomo
    Verfügungen über die Abstände, die zwischen den einzelnen Bäumen einzuhalten wären, und die römischen Prätoren
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    bestimmten, wie oft man rechtmäßig des Nachbars Boden
    betreten dürfe, um dort die abgefallenen Eicheln zu sammeln, und wieviel davon an den Nachbarn abzuliefern sei«.
    Hippokrates hat sogar Anweisungen hinterlassen, wie wir uns die Nägel schneiden sollten; nämlich gleich lang mit den Fingerspitzen, nicht kürzer und nicht länger. Überdruß und Langeweile, die uns glauben lassen, alle Abwechslung und Freude sei aus dem Leben gewichen, sind bestimmt so alt wie Adam. Aber des Menschen Möglichkeiten sind noch nicht
    ermessen, noch können wir sie nach seinen bisherigen
    Leistungen beurteilen - so wenig wurde erst versucht. Was immer deine Irrtümer bisher gewesen sind, »sei nicht betrübt, mein Kind, denn wer vermag dir anzulasten, was du ungetan gelassen« ?
    Tausend einfache Vergleiche können uns den Zusammenhang allen Lebens zeigen: zum Beispiel, daß dieselbe Sonne, die meine Bohnen zum Reifen bringt, gleichzeitig ein ganzes System von Weltkörpern wie den unsrigen beleuchtet. Wäre mir das stets bewußt gewesen, ich hätte mir manchen Irrtum
    erspart. Das war freilich nicht die Erleuchtung, in der ich meine Bohnen pflanzte. Wie herrlich sind die Dreiecke, deren
    Scheitelpunkte die Sterne bilden! Und wie verschiedenartig, wie weit voneinander entfernt sind die Wesen, die sie von den verschiedenen Teilen des Weltalls im gleichen Augenblick betrachten. Die Natur und das menschliche Leben sind
    genauso mannigfaltig wie unsere einzelnen Anlagen. Wer kann sagen, wie das Leben für einen anderen aussieht? Gäbe es ein größeres Wunder als das, einen Augenblick mit den Augen des anderen sehen zu können? Wir könnten in einer Stunde in allen Zeitaltern leben, ja in allen Welten aller Zeiten! Geschichte, Poesie, Mythologie! Ich könnte mir kein Buch über die
    Erlebnisse eines anderen vorstellen, das so erregend und belehrend wäre.
    Das meiste von dem, was meine Mitmenschen für gut halten, halte ich im Grunde meines Herzens für schlecht, und wenn ich etwas im Leben bereue, dann wohl am ehesten meinen guten Lebenswandel. Von welchem Teufel war ich besessen, mich so
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    gut zu betragen? Du magst so weise reden, wie du kannst, alter Mann, du, der siebzig Jahre lebte, und nicht ohne Ehren; ich aber folge einer unwiderstehlichen Stimme, die mich fortlockt von alledem. Eine Generation läßt die andere zurück wie gestrandete Schiffe. Ich finde, wir können ruhig viel mehr Vertrauen haben und die Sorge um uns selbst in dem Maße aufgeben, als wir sie ehrlich anderen zuwenden. Die Natur paßt sich unserer Schwäche ebenso an wie unserer Stärke. Die ständige Anstrengung und Angst mancher Menschen ist fast eine unheilbare Krankheit geworden. Wir sind geneigt, die Wichtigkeit unserer Arbeit zu überschätzen. Und doch: wie vieles ist ohne unser Zutun geschehen? Und wenn wir krank geworden wären? Wie vorsichtig sind wir doch! Wo es sich nur vermeiden läßt, sind wir entschlossen, ohne Vertrauen
    auszukommen. Den ganzen Tag auf der Hut, sprechen wir
    abends nur unwillig unsere Gebete und überlassen uns dem Ungewissen. So unbedingt und ausschließlich hängen wir an dem Leben, das wir führen, halten es hoch und verschließen uns jeder Möglichkeit einer Änderung. Das ist der einzige Weg, sagen wir. Aber es gibt so viele Wege, wie wir Radien von einem Mittelpunkt aus ziehen können. Jede Veränderung ist ein Wunder, des Nachdenkens wert, allein es ist ein Wunder, das sich jeden Augenblick vollzieht. Konfuzius sagt: »Zu wissen, daß wir wissen, was wir wissen, und daß wir nicht wissen, was wir nicht wissen, das ist das wahre Wissen.« Sobald nur ein Mensch eine Schöpfung der Phantasie auf eine des Verstandes reduziert hat, werden alle übrigen ihr Leben auf dieser Grundlage aufbauen, davon bin ich überzeugt.
    Überlegen wir doch einmal, welchen Dingen unsere Sorgen und Ängste vorwiegend gelten, und ob es überhaupt notwendig ist, sich Sorgen zu machen oder sich zumindest vorzusehen. Es wäre kein schlechter Gedanke, mitten in unserer Zivilisation ein einfaches

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