Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Der Luxus eines Standes wird durch die Entbehrungen eines anderen aufgewogen. Auf der einen Seite der Palast, auf der anderen Seite das Armenhaus und der "verschämte Arme". Die Myriaden, die für die Pharaonen die Pyramiden als Begräbnisstätten bauten, wurden mit Knoblauch gefüttert, und vielleicht selbst nicht einmal anständig begraben. Der Maurer, der das Gesims des Palastes fertigstellt, kehrt am Abend vielleicht heim zu einer Hütte, die nicht so gut wie ein Wigwam ist. Die Annahme ist falsch, daß in einem Lande, wo die gewöhnlichen Anzeichen der Zivilisation vorhanden sind, die Lebenslage eines sehr großen Teiles der Einwohner nicht auf einer ebenso niedrigen Stufe sich befinden kann wie bei den Wilden. Ich spreche momentan von dem verkommenen Armen, nicht von dem verkommenen Reichen. Um mir hierüber Gewißheit zu verschaffen, brauche ich nur die Holzbaracken anzusehen, die überall an den Seiten unserer Eisenbahnen – des letzten Fortschrittes in der Zivilisation – stehen. Da erblicke ich bei meinem täglichen Spaziergange menschliche Wesen, die in Schweineställen leben: den ganzen Winter hindurch steht die Tür offen, damit Licht hineindringt, auch nicht die leiseste Spur eines Holzvorrates ist zu sehen. Die Gestalten von Alt und Jung sind durch die Gewohnheit fortwährend vor Kälte und Elend zu erschauern dauernd zusammengeschrumpft, die Entwicklung all ihrer Gliedmaßen und Fähigkeiten ist gehemmt. Es ist nicht mehr als billig, wenn wir jener Menschenklasse Beachtung schenken, die durch ihrer Hände Arbeit die Werke schuf, durch die unsere heutige Generation sich auszeichnet. Im größeren oder kleineren Maßstabe gilt das gleiche von all den verschiedenen Arten der Arbeiter in England – im großen Armenarbeitshaus der Welt. Ich könnte auch Irland anführen, das auf den Landkarten als ein weißes oder erleuchtetes Fleckchen Erde dargestellt wird. Man vergleiche einmal die körperlichen Eigenschaften des Irländers mit denen desnordamerikanischen Indianers oder des Südsee-Insulaners oder mit denen irgend einer anderen Rasse, bevor sie durch Berührung mit der zivilisierten Menschheit an Kraft einbüßte! Trotzdem bezweifle ich durchaus nicht, daß die Leiter jener Völker so weise sind, wie der Durchschnitt der zivilisierten Staatenlenker. Ihre Eigenschaften beweisen nur, welcher Schmutz gleichzeitig mit der Zivilisation bestehen kann. Ich brauche kaum die Arbeiter in den südlichen Staaten zu erwähnen, welche die hauptsächlichen Exporterzeugnisse dieses Landes bauen und dabei selbst Exportware des Südens sind. Ich kann mich auf diejenigen beschränken, die in sogenannten "bescheidenen Verhältnissen" sich befinden.
Die meisten Menschen scheinen nie darüber nachgedacht zu haben, was ein Haus ist; sie sind tatsächlich, wenn auch unnötigerweise, ihr ganzes Leben lang arm, weil sie glauben ein gleiches Haus wie ihre Nachbarn haben zu müssen. Als ob der Mensch gerade den Rock tragen müßte, den der Schneider zufällig für ihn zugeschnitten hat, oder als ob einer, der sich allmählich das Tragen eines Panamahutes oder einer Mütze aus virginischem Murmeltierfell abgewöhnt hat, nunmehr berechtigt wäre, über die schlechten Zeiten zu stöhnen, die ihm nicht gestatten, sich eine Krone zu kaufen. Es ist möglich ein noch bequemeres und eleganteres Haus zu erfinden als das, was wir jetzt haben; doch nach der allgemeinen Ansicht wird keiner den Preis dafür zahlen können. Sollen wir denn immer uns mühen mehr von diesen Dingen zu erwerben, anstatt uns bisweilen mit weniger zu bescheiden? Muß denn der hochachtbare Bürger so eindringlich und ernst durch Vorschriften und Beispiele den jungen Mann darüber aufklären, wie notwendig es ist vor seinem Tode eine Anzahl überflüssiger Lackschuhe, Regenschirme und leerer Gastzimmer für leere Gäste anzuschaffen? Warum kann unsere Einrichtung nicht ebenso einfach sein wie die des Arabers oder Indianers? Wenn ich an die Wohltäter der Menschheit denke, die wir als Abgesandte des Himmels, als Überbringer göttlicher Gaben feiern, so sieht mein Auge keinen Troß, keine Wagenladung eleganter Möbel hinter ihnen. Wie wäre es, wenn ich erlauben würde – wäre das nicht eine eigentümlicheErlaubnis? – daß unsere Einrichtung die des Arabers in demselben Maße an Reichhaltigkeit übertreffen dürfe, in welchem wir uns moralisch oder intellektuell über ihn erheben? Gegenwärtig sind unsere Käufer so sehr mit Möbeln vollgepfropft und
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