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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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bisweilen den Wert der Farm übersteigt, so daß diese selbst zu einer großen Last wird; und doch findet sich ein Mensch, der solch eine Erbschaft antritt, da er, wie er behauptet, die Sachlage vollkommen kennt. Ich hielt Umfrage bei der Steuerbehörde und erfuhr zu meinem größten Erstaunen, daß man mir nicht ohne weiteres ein Dutzend Leute im Stadtbezirk nennen konnte, die ihre Farm völlig schuldenfrei besaßen. Wer Interesse an der Geschichte dieser Heimstätten hat, der möge sich bei der Bank erkundigen, bei welcher sie verpfändet sind. Der Mann, der wirklich durch seiner Hände Arbeit seine Farm bezahlt hat, ist so selten, daß jeder Nachbar mit dem Finger auf ihn zeigen kann. Ich bezweifle, ob drei solcher Männer in Concord leben. Was man von den Kaufleuten sagt: daß der bei weitem größere Teil – ungefähr 97 % – keinen Erfolg hat, gilt ebenso wahrheitsgemäß auch von den Farmern. Ein großer Teil der Kaufleute macht indessen – so behauptet einer aus ihrer Mitte mit Recht – nicht wegen finanzieller Schwierigkeiten, sondern nur deswegen Bankerott, weil es unbequem ist übernommene Verpflichtungen noch zu erfüllen. Mit anderen Worten: der moralische Charakter erleidet Schiffbruch. Und das gibt nicht nur dem ganzen Vorgang ein weit häßlicheres Aussehen, sondern erweckt auch außerdem den Gedanken, daß es wahrscheinlich selbst den übrigen drei nicht gelingt ihre Seele zu retten, daß sie vielleicht in einem schlimmeren Sinne fallieren als die, welche ehrlich Bankerott machten. Konkurse und Zahlungsverweigerungen sind die Sprungbretter, die ein großer Teil unserer zivilisierten Menschen zu Kraftübungen und Purzelbäumen benutzt, während der Wilde auf dem starren Brett der Hungersnot steht. Doch die Middlesexer Viehausstellung findet alljährlich mit "éclat" statt, als ob alle Teile der landwirtschaftlichen Maschine vorzüglich funktionierten.
     
    Der Farmer müht sich das Problem des Lebensunterhaltes durch eine Gleichung zu lösen, die komplizierter ist als das Problem selbst. Um seine Schuhbänder zu verdienen, spekuliert er in Viehherden. Mit vollendeter Schlauheit stellte er seine Falle mit einer haarfeinenFeder, um Bequemlichkeit und Unabhängigkeit zu fangen, beim Fortgehen aber trat er mit seinem eigenen Fuße hinein. Darin liegt der Grund seiner Armut. Und aus einem ähnlichen Grunde sind wir alle, obwohl wir von Luxus umgeben sind, arm im Vergleich zu dem Wilden, der sich an tausend Annehmlichkeiten erfreut.
     
    Wie singt doch Chapman? ...
     
    "Um ird'sche Größe gibt der Menschen heuchlerische Brut
Himmlischen Trost den Winden preis ..."
     
    Doch wenn dem Farmer das Haus in Wirklichkeit gehört, so ist er dadurch vielleicht nicht reicher, sondern ärmer geworden. Er hat nicht das Haus – das Haus hat ihn. Der Einwand, den Momus gegen das von Minerva erbaute Haus erhob, war meiner Ansicht nach völlig zutreffend. Er sagte: "Sie hat das Haus nicht beweglich gemacht und so kann man böser Nachbarschaft nicht entgehen." Der gleiche Vorwurf ist auch heutzutage noch berechtigt, denn unsere Häuser sind solch plumpe Besitztümer, daß wir häufiger in ihnen eher als Gefangene leben, als in ihnen "hausen". Die schlechte Nachbarschaft aber, die wir vermeiden sollten, ist unser eigenes, niederträchtiges Ich. Ich kenne ein paar (wenn nicht eine Anzahl) Familien, die fast ein Menschenalter lang ihre Häuser draußen auf dem Lande zu verkaufen und ins Dorf zu ziehen wünschten, ihren Wunsch aber bislang nicht zu befriedigen vermochten. Erst der Tod wird sie davon befreien.
     
    Wir wollen zugeben, daß schließlich die Mehrheit der Menschen imstande ist ein modernes Haus mit all seinen Verbesserungen zu besitzen oder zu mieten. Nun hat die Zivilisation allerdings unsere Häuser, nicht aber im gleichen Maße die Menschen, die darin wohnen, verbessert. Sie hat zwar Paläste geschaffen, doch war es nicht so leicht Edelleute und Könige zu schaffen. Wenn aber die Bestrebungen des zivilisierten Menschen nicht würdiger als die des Wilden sind, wenn ihm der größere Teil seines Lebens nur zur Gewinnung der gröberen Bedürfnisse und Annehmlichkeiten des Lebens dient, wozu braucht er dann eine bessere Wohnung als der Wilde?
     
    Wie steht es aber um die Minderheit ? Da kommt man vielleicht zu der Erkenntnis, daß in dem gleichen Verhältnis, in welchem ein Teil der Menschheit – rein äußerlich genommen – über die Wilden sich erhob, ein anderer Teil noch tiefer als diese Wilden sank.

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