Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
nomadisierenden Arabern ausgeführt: sie sollten fünfundzwanzig Fuß weit auf ebener Erde gesprungen sein. Ohne künstliche Nachhilfe aber muß der Mensch am Schluß des Sprunges wieder zur Erde zurückkehren. Die erste Frage, die ich an den Besitzer eines erheuchelten Besitzes stellen möchte, lautete: Wer stützt Dich? Gehörst Du zu den Siebenundneunzig, die keinen Erfolg, oder zu den Dreien, die Glück haben? Beantworte mir erst diese Fragen, und dann will ich vielleicht Deinen Tand anschauen und ihn "ornamental" finden. Die Pferde hinter den Wagen zu spannen ist weder schön noch nützlich. Ehe wir unsere Häuser mit schönen Dingen schmücken, müssen die Wände gereinigt, muß unser Leben gereinigt werden, eine anständige Lebensführung und Haushaltung muß zum Fundament gemacht werden. Das Empfinden für alles Schöne wird aber hauptsächlich unter freiem Himmel gepflegt, dort wo es weder Häuser noch Hausherren gibt.
Der alte Johnson erzählt in seiner "Allmächtigen Vorsehung", wenn er von den ersten Ansiedlern in diesem Stadtbezirke spricht, deren Zeitgenosse er war, "daß sie anfangs in Erdhöhlen am Abhang eines Hügels wohnten. Sie stellten große Balken schräg gegen den Hügel, warfen die ausgegrabene Erde hinauf und machten auf dem Erdboden, dort wo das Dach am höchsten war, ein rauchiges Feuer! "Sie versorgten sich nicht eher mit Häusern," fährt er fort, "bis die Erde durch des Herrn Segen Nahrung hervorgebracht hatte. Die Ernte des ersten Jahres war aber so schmal, daß sie notgedrungen ihr Brot eine Zeitlang sehr dünn schneiden mußten." Ausführlicher schreibt anno 1650 der Staatssekretär der Provinz Neuniederland in holländischer Sprache zur Unterweisung für diejenigen, welche eine Niederlassung daselbst beabsichtigten: "Die Leute in Neuniederland und besonders in Neuengland, denen keine Mittel zum Bau von Farmhäusern, die ihren Wünschen entsprechen, zu Gebote stehen,graben eine viereckige Grube, wie einen Keller, sechs oder sieben Fuß tief, und so lang und breit, als es ihnen zweckmäßig erscheint: innen verschalen sie die Erdwände ringsum mit Holz und bedecken das Holz wiederum mit Baumrinde oder etwas Ähnlichem, um das Eindringen der Erde zu verhindern. Der Fußboden und die Decke dieses Kellers werden mit Brettern ausgekleidet; darüber macht man ein Dach aus Baumstämmen, welches mit Rinde und Rasensoden belegt wird, Sie können trocken und warm in diesen Häusern mit ihrer ganzen Familie zwei, drei oder vier Jahre lang leben. Selbstverständlich wird solch ein Keller, je nach der Größe der Familie, in Abteilungen zerlegt. Die reichsten und leitenden Persönlichkeiten in Neuengland bauten zur Zeit der Gründung dieser Kolonien ihre Häuser anfangs auf solche Art, weil sie erstens nicht viel Zeit auf den Hausbau an sich verwenden wollten, zweitens, weil sie die mittellosen Arbeiter, die sie in großen Mengen vom Vaterland herübergebracht hatten, nicht zu entmutigen wünschten. Nach Ablauf von drei oder vier Jahren, als das Land ertragsfähig war, bauten sie sich hübsche Häuser, für die sie mehrere tausend Dollars ausgaben.
Wenn unsere Vorfahren derart zu Werke gingen, so liegt darin zum mindesten ein Anzeichen von Klugheit. Sie hatten das Prinzip den dringendsten Bedürfnissen zuerst abzuhelfen. Tut man das auch noch heutzutage? Wenn ich in Erwägung ziehe, ob ich für mich selbst eine unserer eleganten Wohnungen erwerben soll, so schreckt mich immer wieder der Gedanke davon ab, daß das Land für die menschliche Kultur noch nicht geeignet ist, daß wir unser geistiges Brot noch viel dünner schneiden müssen, als unsere Ahnen ihr Weizenbrot. Es soll damit nicht gesagt sein, daß der architektonische Schmuck selbst in der rohesten Periode gänzlich vernachlässigt werden kann. Vielmehr sollten unsere Häuser sich zunächst im Innern, wo sie mit unserem Leben in enge Beziehung treten, mit dem Gewand der Schönheit schmücken, gerade wie das Gehäuse eines Muscheltieres.
Doch ach! Ich habe ein paar Häuser von innen gesehen, und ich weiß, wie es darin ausschaut.
Zwar sind wir noch nicht so degeneriert, daß wir gegebenen Fallesnicht auch heutzutage in einer Höhle oder in einem Wigwam leben oder Kleidung aus Fellen tragen würden. Trotzdem ist es aber sicherlich besser, die Vorteile zu benutzen, die uns durch die Erfindungsgabe und den Fleiß der Menschen angeboten werden. In meiner Nachbarschaft sind Balken und Schindeln, Kalk und Ziegelsteine, ganze
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