Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
verunstaltet, daß eine gute Hausfrau den größeren Teil derselben am liebsten in die Kehrichtgrube fegen würde: an Morgenarbeit würde es ihr trotzdem nicht fehlen.
Morgenarbeit! Beim Erröten der Aurora und beim Klingen des Memnon! Worin sollte die Morgenarbeit des Menschen in dieser Welt bestehen? Ich hatte drei Kalksteine auf meinem Schreibtisch liegen und bemerkte zu meinem Schrecken, daß sie beanspruchten täglich abgestaubt zu werden, während mein geistiges Rüstzeug noch unabgestäubt war! Darum warf ich sie entrüstet zum Fenster hinaus. Wie würde es mir ergehen, hätte ich ein möbliertes Haus? Lieber will ich unter freiem Himmel wohnen, denn auf dem Gras sammelt sich kein Staub an – es sei denn da, wo der Mensch in der Erde gewühlt hat.
Die Schlemmer und die Verschwender geben die Mode an, der die Herde dann ohne Ermatten folgt. Der Reisende, der in den sogenannten ersten Hotels absteigt, kann sich hiervon schnell überzeugen. Die Wirte scheinen ihn für einen Sardanapal zu halten, und wenn er sich völlig ihrer zarten Fürsorge anvertrauen würde, verlöre er bald all seine männliche Willenskraft. Ich bin der Ansicht, daß wir bei der Herstellung der Eisenbahnwagen mehr eine elegante Ausstattung als Sicherheit und Zweckmäßigkeit erstreben. Es liegt daher die Gefahr nahe, daß sie, ohne diese wichtigen Bedingungen zu erfüllen, nichts Besseres werden als moderne Salons mit Lehnstühlen, Ottomanen, Fenstervorhängen zum Schutz gegen die Sonne und hundert anderen orientalischen Dingen, die wir mit uns nach Westen nehmen, die aber für die Haremsdamen und die effeminierten Eingeborenen des Himmlischen Reiches erfunden wurden. Bruder Jonathan sollte sich schämen solcherlei Dinge nur dem Namen nach zu kennen. Ich würde lieber auf einem Kürbiß allein, als auf einem Samtkissen im Gedränge sitzen. Ich würde es vorziehen, auf der Erdein einem Ochsenwagen zu fahren, zu dem die Luft freien Zutritt hat, als gen Himmel in dem "Luxuswagen" eines Vergnügungszuges, wo ich den ganzen Weg lang "Malaria" einatmen muß.
Gerade die Einfachheit und Nacktheit im Leben des Menschen der grauen Vorzeit brachten wenigstens den Vorteil mit sich, daß er sich nur als temporären Besucher auf Erden fühlte. War er durch Nahrung und Schlaf erquickt, nahm er wieder den Gedanken an seine weitere Reise auf. Er wohnte sozusagen auf dieser Welt in einem Zelte, durchstreifte die Täler, durchkreuzte die Ebenen und stieg auf die Gipfel der Berge. Doch siehe da! Die Menschheit ward zum Werkzeug ihrer Werkzeuge! Der Mann, der einst, wenn er hungrig war, in Freiheit seine Früchte für sich pflückte, ward zum Bauer, und der einst unter einem Baume Schutz suchte, ward zum Hausherrn. Heutzutage schlagen wir nicht mehr für eine Nacht unser Zelt auf. Wir haben in der Erde Wurzel geschlagen und den Himmel vergessen. Wir haben das Christentum nur als eine verbesserte Methode der Agrikultur an genommen. Wir haben für diese Welt ein Familienhaus, für die andere ein Familiengrab errichtet. Die besten Kunstwerke spiegeln das Bemühen der Menschheit wider sich von diesem Zustand zu befreien. Doch die Wirkung unserer Kunst äußert sich nur darin, daß sie uns diesen niedrigen Zustand erträglich finden und jenen höheren Zustand vergessen läßt. Tatsächlich gibt es in diesem Dorf hier keinen Platz, wo ein echtes Kunstwerk – vorausgesetzt, daß ein solches uns vererbt worden wäre – aufgestellt werden könnte. Weder unsere Lebensweise, noch unsere Häuser und Straßen würden eine passende Umrahmung dafür liefern. Hier gibt es keinen Nagel, an den wir ein Bild hängen, kein Sims, auf das wir die Büste eines Helden oder Heiligen stellen könnten. Wenn ich daran denke, wie unsere Häuser gebaut und bezahlt werden, oder vielmehr nicht bezahlt werden, wie der Haushalt geführt und aufrecht erhalten wird, so muß ich mich wundern, daß der Fußboden sich nicht unter dem Besucher, der all den Plunder auf dem Kamin betrachtet, öffnet und ihn in den Keller hinabgleiten läßt auf eine solide und ehrliche, wenn auch erdige Basis. Ich komme immer wieder zu der Ansicht, daß dieses sogenannte reicheund elegante Leben durch einen Sprung gewonnen wird. Und ich kann die schönen Künste, die es schmücken, deswegen nicht mit Freuden genießen, weil meine Aufmerksamkeit ganz mit dem Sprung beschäftigt ist. Denn soviel ich weiß, wurde der bedeutendste, wirkliche Sprung, der menschlicher Muskelkraft allein gelang, von gewissen
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