Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Goldringen in der Halle; ein Reif rollte dabei hinter die Fässer; der eine Knabe lief ihm nach und sah dort die zwei Männer sitzen, gross und grimmig, in tiefen Helmen und glänzenden Brünnen. Er lief in die Halle zu seinem Vater und sagte ihm, was er gesehen hatte.
Der König argwöhnte Verrat; Signy aber, die alles mit anhörte, führte ihre Knaben hinaus zu den Verborgenen: "Bringet sie um, sie haben euch verraten." Sigmund mochte ihnen kein Leides tun; doch Sinfiötli sprang vor, erschlug beide mit seinem Schwert und warf sie in die Halle hinein, vor des Königs Sitz.
Der fuhr auf und gebot, die fremden Männer zu ergreifen; die wehrten sich lang und heldenmütig; endlich wurden sie von der Übermacht bewältigt und gefesselt und lagen die Nacht über in Banden, indes der König sann, wie er sie am grausamsten töten könne.
Und als der Morgen kam, liess er einen Hügel aus Steinen und Rasen bauen – wie man für Tote pflegte – in die Mitte aber einen grossen Fels setzen, so dass der Hügel in zwei Hälften geteilt war. Sigmund und Sinfiötli wurden je in eine der Höhlen geworfen, darin zu verhungern. Sie sollten sich klagen hören können, aber nicht beisammen sein; denn das schien dem König grausamste Qual.
Als die Knechte den Hügel zudeckten, kam Signy hinzu. Sie trug Stroh in ihrem Gewand, warf es Sinfiötli hinab und bat die Knechte, davon vor dem König zu schweigen. Sie sagten ihr’s zu und schlossen den Hügel. Sinfiötli fand in der Strohschaube Speck und darin steckend Sigmunds Schwert; er erkannte es im Dunkeln am Knauf. Nun stiess er die Schwertspitze oberhalb des Felsens durch und zog stark; das Schwert schnitt in den Stein; da fasste Sigmund die Spitze und "mit Nacht zersägten mit Odins Schwert den grossen Felsen Sigmund und Sinfiötli". Sie waren nun beisammen, zerschnitten Stein und Rasen und brachen aus dem Hügel. Dunkle Nacht war; sie schritten zu König Siggeirs Halle; dort lagen alle Männer im Schlaf. Sie trugen Holz an die Halle und legten Feuer daran; die darin schliefen, erwachten vom Rauch und von prasselnder Lohe.
"Wer tat das?" rief der König.
"Das taten wir, Sigmund und Sinfiötli!" antwortete Sigmund: "Nun sollst du’s spüren, dass nicht alle Wölsungen tot sind." Mit dem Schwerte wehrte er jedem, der zu fliehen suchte. Seine Schwester bat er, sie möge herauskommen, auf dass er sie mit Ehren grüsse und sie sich der Rache freue.
Aber die Königin sprach: "Erfahren sollst du nun, Sigmund, wie ich stets nur des Todes der Wölsungen gedachte. Meine Knaben liess ich erschlagen und Sinfiötli ist unser Sohn; ich aber habe allerwege so sehr nach Rache getrachtet, dass ich nun freudig sterben will mit Siggeir, den ich, obzwar genötigt, zum Manne nahm."
Darauf ging sie hinaus, küsste Sigmund und Sinfiötli und sprang in das Feuer zurück.
So verbrannten König Siggeir und Signy und ihr ganzes Hofgesinde.
III. Helgi Hundingsbani (d. h. Hundings-Töter).
Von Helgis Geburt singt das Helgilied:
"Es war im Uralter, als Are sangen, heilige Wasser von Himmelsbergen rannen; da hatte Helgi, den Hochherzigen, Borghild geboren in Braland. Nacht war in der Burg, Nornen kamen, dem Edeling das Alter und Schicksal zu bestimmen". Sie wünschten ihm, der beste und heldenmütigste König zu werden, bestimmten ihm Braland zum Erbe, und niemals zu reiten den Weg nach Hel.
Vor der Burg, auf einem Eschenbaum, sassen zwei Raben, und einer sprach zum andern: "Sigmunds Sohn steht einen Tag alt in der Brünne und schärft sein Auge, wie Krieger tun; er wird Odins Wölfe mit Leichen erfreun." Die Männer aber sprachen: "Nun ist eine glückliche Zeit gekommen."
König Sigmund kam gerade aus einer Schlacht, als Helgi geboren war; er ging in die Burg und reichte dem Knaben edlen Lauch (Kraut) als Zeichen, dass er ihn zu seinem Erben im Hunenreich bestimme. Er gab ihm den Namen Helgi, schenkte ihm Land und Burgen und ein zieres Schwert. Helgi wurde von Hagal, einem Edlen, in dessen Burg erzogen.
Damals herrschte über Hundland Hunding, ein mächtiger König; er hatte viele Söhne, und zwischen den Hundingen und Wölsungen war Unfriede; sie erschlugen einander ihre Freunde. Als Helgi fünfzehn Jahre alt war, zog er auf heimliche Kundschaft nach Hundings Hof. Heming, einer von Hundings Söhnen, war allein zu Hause, und als Helgi wieder zum Burgtor hinausging, begegnete er einem Hirtenknaben und trug ihm auf:
"Sage Heming, dass Helgi es war, der umherging in seiner Burg, unter wolfsgrauen
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