Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
begleitet hatten. Sie liess am folgenden Abend die Magd am Hügel Wache halten; als die Königin nach Sonnenuntergang dorthin kam, sprach die Magd: "Gekommen wäre nun – wenn er zu kommen gedächte – Sigmunds Sohn aus den Sälen Odins. Hoffe nicht mehr auf Helgis Heimkehr. Sei nicht so rasend, allein in den Totenhügel zu gehen; gewaltiger werden in der Nacht, als am lichten Tag, alle toten Krieger."
Sigrun lebte nicht lange mehr, vor Harm und Leid. Aber die Sage singt von Helgi und Sigrun, dass sie wiedergeboren seien; er ein siegreicher Held und sie seine Walküre [Fußnote: In dieser Verjüngung heisst er Helgi Hundingstöter, sie Kara (Hilde) Halfdans Tochter.] .
IV. Sinfiötlis und Sigmunds Ende.
Nach dem Siege Helgis über Hödbrod war Sinfiötli mit seinen Kriegern zu seinem Vater heimgekehrt; der weilte damals in Dänemark, dem Erbe Borghilds. Nicht lange ruhte Sinfiötli, bis er abermals auf Heerfahrten ausfuhr. Auf einer solchen sah er Swintha, die schöne Königin der Warnen, und begehrte sie zur Gattin. Seiner Stiefmutter Bruder, Gunther (auch Noarq), warb um dieselbe Jungfrau; sie stritten um dieses Weib im Kampf, und Gunther fiel auf grünem Holm. Er zog dann weiter auf Heerfahrt, gewann Sieg auf Sieg und kam zur Herbstzeit ruhmvoll, mit vielen schatzbeladenen Schiffen, zu seinem Vater zurück. Da erfuhr Borghild ihres Bruders Tod und gebot Sinfiötli, aus dem Lande zu weichen, denn sie wollte ihn nicht sehen. Aber Sigmund mochte den Sohn nicht von sich ziehen lassen und erbot sich, seiner Frau Busse zu leisten mit Gold und Gut; und hatte er doch nie zuvor jemandem Busse geleistet. Borghild antwortete: "Entscheide du, Herr; – das geziemt sich."
Sie veranstaltete mit Sigmunds Zustimmung ein Leichenmahl zu ihres Bruders Gedächtnis und lud dazu viele edle Männer. Sie selbst schenkte ihren Gästen den Met und kam auch vor Sinfiötli mit einem vollen Horn: "Trink nun, Stiefsohn." Sinfiötli nahm das Horn, blickte hinein und sprach: "Der Trank ist trüb." "Gib ihn mir," rief Sigmund und trank ab; ihm schadete ja kein Gift.
"Warum sollen andre für dich trinken?" fragte Borghild und kam abermals mit dem Horn: "Trinke nun." "Der Trank ist gefälscht," sprach er, das Horn nehmend; und wieder trank Sigmund für ihn. Und zum dritten Mal kam die Königin: "Trinke, wenn du den Mut der Wölsungen hast!" "Gift ist im Trank!" rief Sinfiötli, das Horn haltend. Aber Sigmunds Gedanken waren müde vom Mettrinken, darum antwortete er: "Lass es durch den Bart rinnen, mein Sohn." Sinfiötli verstand nicht die Warnung, trank und fiel tot um.
Sigmund sprang auf, sein Gram brachte ihn dem Tode nahe. Er nahm die Leiche in seine Arme und trug sie lange Wege durch den Wald, suchend, wo er sie betten solle, bis er an eine tief ins Land einspringende Meeresbucht kam. Er konnte nicht hinüber; da sah er einen Mann in einem kleinen Kahn; der erbot sich, ihn über die Bucht zu fahren. Als aber Sinfiötli im Boot lag, war kein Raum mehr darin; die Leiche ward nun zuerst übergefahren und der König ging die Bucht entlang. Alsbald entschwand der Mann mit dem Nachen seinen Augen; da erkannte Sigmund, dass Odin selbst Sinfiötlis Leiche in Empfang genommen hatte.
Er kehrte heim und verstiess Borghild; bald darauf starb sie.
Hiördis, des Königs Eylimi Tochter, war die schönste und weiseste alter Frauen. Sigmund hörte von ihr und machte sich auf die Reise zu Eylimi. Boten gingen ihm mit seiner Werbung voraus. Eylimi rüstete sich, den Gast geziemend zu bewirten, und soweit er herrschte, befahl er, Sigmund und seine Gefolgen freundlich aufzunehmen.
Als sie nun in Eylimis Halle zum Mahle niedersassen, war König Lyngi, aus Hundings Geschlecht, gekommen und begehrte Hiördis ebenfalls zum Weibe.
Da sprach Eylimi zu Hiördis: "Du bist eine weise Jungfrau; wähle! Wen zu zum Manne willst, den sollst du haben." Sie antwortete: "Ich wähle den Gewaltigsten; das ist Sigmund, obgleich er bejahrt ist." Und Hiördis ward Sigmund gegeben. König Lyngi aber fuhr hinweg. Mehrere Tage wurde die Hochzeit gefeiert; darauf kehrte Sigmund heim, sein Schwäher Eylimi zog mit, und Sigmund waltete nun seines alten Erbes in Hunenland. König Lyngi aber und seine Gesippen sammelten ein grosses Heer; eingedenk ihrer alten und steten Niederlagen im Kampfe mit den Wölsungen, wollten sie nun endlich Sigmund alles heimzahlen. Sie zogen nach Hunenland und sandten Sigmund Kriegsbotschaft; denn sie wollten sich nicht zu ihm stehlen und wussten, dass
Weitere Kostenlose Bücher