Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
herrschte über Hunenland als mächtiger und weiser Fürst. Borghild von Bralund nahm er zum Weib und gewann zwei Söhne, Helgi und Hamund. Sigmunds Nachkommen hiessen Wölsungen und Ylfinge, d. i. Wölflinge, weil er eine Zeitlang als Wolfsmann gelebt hatte.] .
Nach dreien Tagen war sie verschwunden, unerkannt wie sie gekommen. Sie kehrte heim in ihre Kammer und tauschte wieder ihre Gestalt mit der Zauberin.
Die Stunde kam, und die Königin genas eines Knaben. Er wurde Sinfiötli genannt und wuchs auf zu grosser Schöne und Stärke. Als er zehn Winter alt war, prüfte die Königin seinen Mut. Sie zog ihm einen Rock an und nähte Ärmel und Rock durch die Haut zusammen. Er zuckte nicht dabei. Und als sie ihm den Rock abzog, und das Fleisch dem Zeuge folgte, fragte sie ihn, ob das schmerze? Aber er lachte nur.
Da sandte sie Sinfiötli zu Sigmund, dass jener ihm helfe, wenn er den Vater rächen werde. Sigmund nahm den Knaben wohl auf, gab ihm einen Sack voll Mehles und hiess ihn, einen Brotteig kneten, während er selbst in den Wald ging, Brennholz zu holen. Wie er wiederkam, war der Teig geknetet; er fragte den Knaben, ob er nichts in dem Mehl gefunden hätte? "Als ich anfing zu kneten," antwortete der, "kam es mir wohl so vor, als sei etwas Lebendiges in dem Mehl; – ich habe es mit hineingeknetet." Darauf lachte Sigmund: "Von dem Brot wirst du nichts bekommen; – einen grossen Giftwurm hast du mit hineingeknetet." Sigmund aber war so stark, dass er Gift essen konnte.
Sinfiötli schien Sigmund noch zu jung, um an dem Rachewerk teilzunehmen. Er zog vorerst – es war Sommer – mit ihm durch Wälder und Länder auf Jagd und Beute, und sie erschlugen manchen Mann. Sigmund fand den Knaben von Wölsungenart – obwohl er ihn für Siggeirs Sohn hielt; doch des Vaters Bosheit, dünkte ihm, habe er zu der Wölsungen Heldenmut geerbt. Denn Blutsfreunde schien er wenig zu lieben; gar oft mahnte der Knabe ihn seines Gramgeschicks und reizte ihn, Siggeir zu erschlagen.
Da stiessen die Friedlosen einst im Walde auf ein Haus, darin lagen schlafend zwei Männer, mit goldenen Ringen an den Armen. Sie waren vom bösen Zauber befreit worden; denn über ihnen hingen zwei Wolfshemden, welche sie nur je den zehnten Tag ablegen konnten. Die Wölsungen fuhren in die Hemden, konnten aber nicht wieder herauskommen; der böse Zauber haftete nun ihnen an; sie waren in Werwölfe, d. h. Mannwölfe, verwandelt worden und riefen mit Wolfsstimme.
Sie machten aus, dass sie sich trennen wollten, und wenn einer auf mehr als sieben Männer stiesse, sollte er den Genossen mit dem Wolfsgeschrei zu Hilfe rufen. Sinfiötli begegnete bald elf Männern; er rief nicht und erschlug alle im Kampf. Ermüdet legte er sich unter eine Eiche. So traf ihn Sigmund und fragte: "Warum riefst du nicht?" "Wegen elf Männern wollte ich deine Hilfe nicht," antwortete der Knabe. Von Wolfszorn übermannt, sprang da Sigmund gegen Sinfiötli und biss ihm in die Gurgel, dass der Knabe taumelte und fiel.
Als der Zorn verraucht war, zog Sigmund Sinfiötli auf den Rücken und trug ihn in die Hütte, wo sie die Hemden gefunden hatten. Die beiden Männer waren verschwunden. Traurig sass er über den Knaben gebeugt und flehte zu den Geistern, die den Zauber gewirkt hatten, ihnen die Wolfshemden abzunehmen.
Da sah er im Walde zwei Buschkatzen sich balgen, die eine biss der andern in die Kehle, dass sie wie tot dalag. Jene lief zu Walde, kehrte mit einem Kraute zurück, legte es der Gebissenen auf die Wunde, und die sprang heil auf. Sigmund ging nun zur Hütte hinaus und sah einen Raben ihm entgegenfliegen; der trug ein gleiches Kraut im Schnabel und liess es vor ihm fallen. Sigmund hob es auf und legte es auf Sinfiötlis Wunde. Alsogleich war der Knabe gesund und heil. Nun gingen sie in ihr Erdhaus zurück und warteten, bis sie von den Wolfshemden frei wurden. Das geschah am zehnten Tage, nachdem sie hineingefahren; sie konnten sie von sich ziehen und verbrannten sie schnell im Feuer.
Als nun Sinfiötli herangewachsen war, gedachte Sigmund, für seinen erschlagenen Vater Blutrache zu nehmen. Sie gingen eines Tages von dem Erdhaus fort und kamen spät abends in König Siggeirs Hof. Sie traten in den Vorraum vor der grossen Halle; dort standen Älfässer, hinter denen verbargen sie sich. Da erfuhr die Königin, dass sie gekommen waren, und alle drei beschlossen gemeinsam, in der Nacht die Rachetat zu vollziehen.
Zwei jüngere Söhne Signys und Siggeirs spielten mit
Weitere Kostenlose Bücher