Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
angehörte, geringschätzig angesehen worden. Langsam und zögernd schalten sie ihn einst; nun baten sie ihm die Schmährede mit rühmenden Worten ab. Hygelak aber befahl Nägling, das goldgezierte Schwert seines Vaters Hredel, herbeizuholen. Keine bessere Waffe gab’s im Geatenland. Er schenkte es Beowulf und gab ihm Land und Burg mit stolzem Hallenhaus.
III. Der Feuer-Drache.
1. Des Drachen Ausfahrt.
Und nach vielen Jahren ward Beowulf König der Geaten. Nachdem er dieses breiten Reiches wohl an fünfzig Winter gewaltet hatte, führte er nach Hrodgars und Hrodwulfs Tod auch über die Dänen die Oberherrschaft. Haar und Bart waren ihm ergraut.
Da begann ein Drache im Land zu wüten; denn sein Hort, den er in einem Berge, nah der See, bewachte, war beraubt worden. Ein Pfad – niemand bekannt – lief in den Berg. Ein Knecht, der vor den Schlägen seines geatischen Herrn floh, geriet auf den Steig und erschaute den Hort, während der Drache schlief. Da lagen in der Erdhöhle viele uralte Schätze angehäuft. Der friedlose Mann nahm eine kostbare Schale davon und brachte sie seinem Herrn, sich damit Verzeihung zu erkaufen. Der Herr nahm die Sühne an und gewährte dem Knecht Frieden. Als aber der Wurm erwachte, brach seine Wut aus; er beroch das Gestein und witterte bald des Menschen Spur, der bis nah an sein Haupt hingeschritten war. – So mag ein Glücklicher Gewagtes vollbringen, wenn’s ihm der Waltende gewährt. –
Der Wurm suchte eifrig über den Grund hin, um den Menschen zu finden, der ihm im Schlafe Schaden getan. Zornig, wildwütig umkreiste er von aussen den Berg, wieder und wieder; aber bis weithin über die Heide sah er niemand. Er kroch in seine Höhle zurück und zählte seine Schätze; da sah er deutlich, dass er bestohlen war. Ungeduldig erwartete er den Abend, seine Wut schwoll und schwoll; mit Feuer wollte er Land und Leuten den Hortraub vergelten. Als die Nacht kam, fuhr er brennend aus dem Berge; flog, glutenspeiend, über das Land, versengte Höfe und Hallen, und verwüstete alles. Nichts Lebendiges wollte er übrig lassen. Vor Tagesanbruch kehrte er zurück und schoss nieder auf seinen Hort in der Erdhöhle, wo er sich sicher wähnte.
Eilig liefen die Boten mit der Schreckenskunde zu Beowulf; des Königs eignes Haus, wo er vom Hochsitz Gaben zu verteilen pflegte, verschlangen lodernde Flammen. Gram ergriff den guten König; düstere Gedanken beschwerten ihn, als er seines Volkes Land weithin verwüstet sah; grimmig beschloss er’s zu rächen.
Einen Schild, ganz von Eisen, befahl er zu schmieden; kein grosses Heer sollte ihn begleiten, er fürchtete des Wurmes Wut nicht; manch kühnen Kampf, manch gefährlichen Sturm hatte er ja gefochten! Mit elf Gefolgen ging er, den Drachen zu suchen. Er hatte nach der Ursache der Erzürnung des Ungetüms geforscht, und da war ihm die Schale ausgeliefert worden und der Knecht, der sie geraubt und all den Jammer verschuldet hatte; als Dreizehnter, widerwillig, musste der ihnen voranschreiten, den Weg weisend zu der Höhle im Berge nah der See. Auf einer Klippe vor dem Berge hielt Beowulf an und sass nieder. Traurig, todbereit nahm er Abschied von seinen Herdgenossen. Schon trat das letzte Schicksal an des greisen Königs Seite.
"Viele Kämpfe, viel Unheil," begann er, "hab’ ich schon in früher Jugend ausgehalten. Sieben Winter war ich alt, als mich Hredel in seine Halle nahm und gleich seinen Söhnen hielt. Mit meinem Schwert und meiner Treue hab’ ich den Gesippen ihre Liebe vergolten. Alles dessen muss ich gedenken! Mit Beil und Schwert soll mir nun diese Hand des Wurmes Hort erkämpfen. Mass ich mich oft in der Jugend mit tapfern Helden, will ich nun im Alter als meines Volkes Schirmwart auch diese Fehde suchen und den Landschaden vernichten." Einen jeden seiner lieben Genossen grüsste er noch zum letzten Mal.
"Gern ging ich ohne Schwert; aber Gift und Feueratem hab’ ich von dem Wurm zu gewärtigen, deshalb trag’ ich Schild und Brünne. Nicht Fusses breit will ich dem Drachen weichen; ergeh’s, wie’s das Schicksal will! In Brünnen und Waffen erwartet hier vor dem Hügel, wer von uns den Kampf überlebt. Ich gewinne das Gold oder der Tod nimmt euch den König."
2. Der Kampf.
Da erhob sich der kühne Held, nahm Schild und Schwert und schritt unter die Steinklippen. Er fand an der Bergwand einen gewölbten Stein, unter dem brach ein Strom aus dem Berg; das Wasser war heiss von des Drachen Feuerhauch. Niemand konnte, ohne sich zu
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