Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
über der See, dass dich Nachbarn bedrängen, dann bring’ ich dir tausend tapfere Recken zu Hilfe; auch Hygelak, weiss ich, wird gern dazu helfen. Kommt aber einmal Hredrik, dein Sohn, zu uns Geaten herüber, dann soll er viele Freunde finden. Wer selber stark, mag ruhig die Fremde suchen."
"Nie hört’ ich so weises Wort aus so jugendlichem Mund. Erlischt Hygelaks Geschlecht, so könnten die Geaten keinen bessern König erkiesen als dich. Je länger, je mehr lern’ ich dich lieben, Beowulf. Du hast den Frieden zwischen Dänen und Geaten gefestigt, und der Hass, der sie früher entzweite, ist erloschen für immer. Gold und Schätze wollen wir gemeinsam besitzen. Manchmal besuche einer den andern über die See, und das Schiff trage freundliche Gaben von Land zu Land."
Und abermals gab er ihm zwölf köstliche Geschenke, dann umschlang er mit den Händen Beowulfs Nacken und küsste ihn; helle Zähren liefen in seinen weissen Bart hinab. Eine gute Heimkehr wünschte er ihm, aber noch sehnlicher, Beowulf wieder zu sehen, so lieb hatte er ihn gewonnen.
Die Geaten schritten nun zum Strande hinab, wo ihr Schiff vor Anker lag. Auf dem Wege priesen sie Hrodgars reiche Gaben; der war ein guter König, in allem untadelig.
Der Strandvogt – sobald er die Gäste kommen sah – ritt ihnen mit Willkommenruf entgegen und geleitete sie zu ihrem Schiff. Hurtig wurde das mit den Rüstungen, Rossen und Schätzen beladen. Dem Bootwart schenkte Beowulf zum Dank ein Schwert mit goldenem Griff. Dann folgte er seinen Gefährten, stieg ins Schiff und stiess es hinaus ins Tiefwasser. Das Segel ward ausgespannt; es blähte sich vor dem Wind, der Kiel erdröhnte und, den Bug von Wellen umschäumt, flog der Segler über die Salzflut, bis die heimatlichen Gestade vor den Blicken der Seefahrer auftauchten. Bald schoss der Kiel empor und lag schaukelnd am Strand.
Der Küstenwächter, der ihre Fahrt längst beobachtet hatte, stand schon bereit; er zog den bauchigen Drachen auf den Sand und festigte ihn mit Ankern. Dann befahl er seinen Leuten, Beowulfs Rosse und Schätze ans Land zu schaffen.
9. Die Heimkehr.
Nah der Düne lag Hygelaks Königshaus; hoch und geräumig war die Methalle. Dem König zur Seite waltete darin Hygd, Häreds Tochter, sein junges, wohlgestrenges Gemahl. Weder allzu vertraut tat sie mit den Leuten, noch kargte sie mit Lohn und Geschenken.
Die Sonne schien von Süden, als die Heimgekehrten landeinwärts zu Hygelaks Burg kamen. Ein Bote war ihnen vorausgeeilt und hatte dem König Beowulfs Rückkunft schon gemeldet, "er folge ihm auf dem Fusse". Da trat er schon ein; rasch wurde für die Helden Raum geschafft in der Halle.
Beowulf musste nach der ersten Begrüssung an Hygelaks Seite niedersitzen. Hygd ging mit den Metschänken umher und reichte selbst freundlich und leutselig lautern Trank.
"Wie erging dir’s auf der Reise, lieber Beowulf?" begann der König voll Neugier, "hast du Hrodgar von dem Unhold erlöst? Ich habe mich in Sorge um dich verzehrt; du weisst, wie sehr ich dich bat, den Kampf nicht zu suchen, Grendel fern zu bleiben. Nun sei den Göttern Dank, dass ich dich gesund wieder habe."
"Das will ich dir gern berichten, wie ich und Grendel kampflich einander trafen. Ich vergalt ihm alle seine Freveltaten." Und nun erzählte Beowulf von seinem Kampfe mit den Riesen, von dem Siegesjubel der Dänen, wie sie ihm Feste feierten und ein Gastmahl bereiteten, rühmte Hrodgars Weisheit und Milde, gedachte der Königin und ihrer Kinder, sprach von alten Mären und Liedern, die er in der Halle hatte singen und sagen hören und wie er niemals und nirgendwo grössere Fröhlichkeit beim Met gesehen als dort bei den Dänen.
"Herrliche Geschenke gab mir der König," schloss Beowulf seine Erzählung, "die will ich dir, Hygelak, meinem liebsten Blutsfreund, darbringen!" Dabei überreichte er dem König Eberhelm, Brünne und Schwert: "Die Waffen sind ein altes Erbteil der Schildinge; Heorogar liess sie seinem Sohn Hrodgar; gebrauche du sie siegreich."
Vier gleich grosse, apfelfahle Rosse fügte er dem Geschenk noch hinzu. Den schönen Halsschmuck Wealchtheows aber überreichte er Hygd und dazu drei schlanke schöngesattelte Hengste.
So erwies sich Beowulf Verwandten und Freunden hochherzig und freigiebig. Niemals missbrauchte er seine gewaltige Kraft zu übermässigem Kampf, niemals übermannte ihn Zorn, dass er einen Herdgenossen geschlagen hätte. Lang war er von den Geaten, deren Stamm er ja nur durch seine Mutter
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