Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Worms, der zwar durch Hunnen, aber nicht durch Attila, und nicht in dessen Reich, sondern am Rheine geschah [Fußnote: Dahn, Deutsche Geschichte, I. 1 (vorletztes Kapitel)] . Dies wurde später auf Attila übertragen, der ursprünglich mit dem Atli der Wölsungen so wenig identisch ist wie die Hunnen mit den "Hunen". Auch Theoderich der Grosse ward jetzt als Dietrich von Bern in diesen Sagenkreis gezogen, als Zeitgenosse Attilas und Überwinder wie Siegfrieds so Hagens, obwohl er erst mehrere Jahre nach Attilas Tod geboren ist.
Das uns erhaltene mittelhochdeutsche Nibelungenlied nun unterscheidet sich in sehr wesentlichen Dingen sowohl von der nordischen Wölsungensage, wie von der ursprünglichen althochdeutschen Fassung der Siegfriedsage.
Die ganze Vorgeschichte, welche zwischen Siegfried und Brunhild spielt, ist der mittelhochdeutschen Dichtung fremd; also der erste Ritt Siegfrieds durch die Waberlohe, Brunhilds Erweckung, die Verlobung der beiden. Daher bedarf es nun freilich keines Zauber- und Vergessenheitstrankes, um Siegfried zu Worms mit Krimhild (der Gudrun der Wölsungen) zu verloben; allein es fehlt nun durchaus an jedem ausreichenden Beweggrund für Brunhildens Hass gegen Siegfried und ihr Begehren nach seinem Tod. Daher lebt auch diese "Brünhild" nach Siegfrieds Ermordung ganz ruhig fort. Ganz anders endlich ist hier die Stellung von Siegfrieds Witwe; sie vermählt sich Attila (Etzel), um den Mord des Gemahls an den Brüdern zu rächen, während die Gudrun der Wölsungen umgekehrt die Brüder vor Atlis Ränken warnt und zuletzt deren Tod an dem Gemahl und den gemeinsamen Kindern rächt; ganz wie schon in der früheren Generation der Wölsungen; auch findet die Krimhild der Nibelungen nach deren Untergang sofort ebenfalls den Tod, und wird nicht noch eines dritten Gemahlin; von allen andern Unterschieden, welche z. B. durch das Hereinziehen Dietrichs herbeigeführt werden, zu schweigen. Diese Bemerkungen werden genügen, Verwirrung und Unklarheit auszuschliessen. Wir beschränken uns darauf, von der späten und ohnehin am meisten bekannten mittelhochdeutschen Fassung bloss dasjenige ausführlicher zu erzählen, was an die Dietrichsage knüpft, während wir von den Begebenheiten vor der Fahrt der Nibelungen in Etzels Land nur kurz das Unerlässliche mitteilen.
Siegfried war der Sohn des Königs Siegmund "in Niederlanden" am Rhein, in der Burg Xanten, und der Siegelind; er war der herrlichste Held [Fußnote: "Noch bevor er ganz zum Mann erwachsen, hatte er schon gar viele Wunder mit seiner Hand getan, von denen wir heute schweigen"; Anspielungen auf die halb vergessenen ersten Taten, den Ritt durch die Waberlohe usw.] .
So hatte er den unermesslichen Hort der Nibelunge gewonnen; Schilbung und Nibelung, die Söhne des (ursprünglich elbisch gedachten) Königs Nibelung konnten sich nicht in das Erbe ihres Vaters teilen. Von ungefähr kam Siegfried an ihre Burg; sie baten ihn, das Gut ihnen zu teilen und gaben ihm im voraus zum Lohne ihres Vaters Schwert Balmung. Da er bei bestem Willen den unermesslichen Hort zu teilen nicht vermochte, griffen sie ihn zornmütig mit ihren zwölf Riesen und andern Mannen an; aber Siegfried schwang Balmung und erschlug beide Könige und die Riesen und viele Mannen; er bezwang auch den wilden Zwerg Alberich, dem er die Tarnkappe abgewann und dann auftrug, als sein Kämmerer des Hortes zu warten in dem tiefen Berge. Bei dem Zwerge Mime (s. Wieland der Schmied), dem Regin der Wölsungen, hatte er schon als Knabe die Schmiedekunst lernen sollen, bald aber ein viel besseres Schwert geschmiedet als dieser, mit dem er Mimes Ambos auseinanderschlug. Auch erlegte er einen Lindwurm (d. h. Glanzwurm, Goldglanz hütender Wurm) und badete in dessen Blut; da ward seine Haut hörnern ("hürnen"), keine Waffe durchdrang sie.
Da er vernimmt, dass die allerschönste Jungfrau Krimhild sei, die Tochter des (verstorbenen) Burgundenkönigs Dankrat und der Frau Ute zu Worms, Schwester des jetzt dort herrschenden Königs Gunther, zieht er aus, sie zur Gattin zu gewinnen; anfangs will er mit jenen Helden kämpfen, wer obsiegt, soll beide Reiche – Burgund und Niederland – beherrschen. Doch wird das klug abgewendet, Siegfried wird gut aufgenommen und bleibt lange zu Worms am Hofe der Burgunden, wo ausser dem König dessen beide Brüder Gernot und der junge Giselher (das Kind), Hagen, der gewaltige Held, dessen Bruder Dankwart, beider Neffe Ortwein von Metz und der frohe und tapfere Sänger
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