Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
blutigen Sätteln in den Burghof; die sah Helche und erriet, was ihr Leides geschehen.
"Heil dir, König Etzel," grüsste der Markgraf seinen Herrn.
"Willkommen, getreuer Rüdiger! Lebt Dietrich und gewannen die Heunen Sieg oder Unsieg?"
"König Dietrich lebt und die Heunen haben Sieg gewonnen. Aber tot liegen zu Raben auf dem Walfeld eure Söhne." Da brach Helche in laute Klagen aus und verfluchte den Berner.
"Wer von den Helden ist mit unsern Söhnen gefallen?" fragte der König dumpf.
"Herr, mancher gute Degen; vor allen Jung-Diether, der treue Helferich und Herzog Nudung, Wildeber und viele andre." Und Rüdiger erzählte nun, wie die Knaben erschlagen wurden, von Wittigs Flucht und wie ihn die See Dietrichs Rache entrissen habe. Und wieder sprach der König: "Nun ist’s geschehen wie oft zuvor; die müssen fallen, die zum Tode bestimmt sind. Wo ist Dietrich?"
"Dietrich und Hildebrand sitzen in einer Hütte; die Waffen haben sie abgelegt; und so sehr bekümmert Dietrich der Jungherren Verlust, dass er nicht vor dein Antlitz treten will."
Etzel sandte zwei Boten nach ihm, aber sie kamen zurück ohne Dietrich; zu gross sei sein Harm, er wage nicht zu kommen. Da erhob sich Königin Helche aus Jammer und Klagen: "Weh, dass ich dem getreuen Mann fluchen mochte!" Und sie ging mit ihren Frauen in die Hütte, wo Dietrich sass.
"Willkommen, König Dietrich," grüsste sie ihn. "Sage mir, stritten meine Söhne als tapfere Helden, bevor sie fielen?"
"Frau, fürwahr das taten sie," antwortete Dietrich gramvoll. Und Helche trat zu ihm, schlang ihre Arme um seinen Hals, küsste ihn und sprach: "Geh nun mit mir zu König Etzel, treuer Mann, und sei uns willkommen wie ehedem."
Da folgte ihr Dietrich in die Halle, trat vor des Königs Sitz und neigte sein Haupt in Etzels Schoss und sprach: "Räche nun dein Leid an mir."
Aber Etzel küsste ihn, hiess ihn willkommen und setzte ihn neben sich auf den Hochsitz. Und ihre Freundschaft war nicht geringer als vordem.
3. Helches Tod.
Zwei Jahre darauf ergriff die Königin ein Siechtum; sie sah ihren Tod voraus und liess Dietrich und Hildebrand an ihr Siechbett rufen.
"Dietrich, treuer Freund," sprach sie, "viel Gutes haben wir dir zu lohnen; nun wird der Tod unsre Freundschaft scheiden; darum empfange zuvor, was ich dir bestimmt habe; die edle Jungfrau Herrad will ich dir zum Weibe geben." Und sie liess ihm zehn Mark Goldes in einem Becher, dazu ein kostbares Purpurkleid überreichen. Dietrich nahm die Gaben und klagte: "Gute Königin Helche, weh um dich, dass du nun sterben sollst." Er weinte wie ein Kind und ging hinaus, weil er vor Gram nicht mehr zu reden vermochte. Meister Hildebrand reichte die Königin den besten Goldring, den sie an ihrer Hand trug: "Lass uns als Freunde scheiden und uns als solche wiederfinden, wenn wir uns treffen."
Unter Tränen dankte Hildebrand der Königin ihre Treue; dann liess sie den König rufen und sagte: "König Etzel, wir müssen nun scheiden, – nicht lange wirst du ohne Gemahlin bleiben; nimm kein Weib aus Nibelungenstamm, es wird dir und deinen Nachkommen Unheil bringen." Und als sie das gesprochen, wandte sie sich von ihm und starb. Etzel und ganz Heunenland beweinten sie und alle lobten ihre Güte und Milde.
Herrad aber, König Nantwins Tochter, die als Speergefangene an Etzels Hof lebte, wurde da Dietrichs Frau.
V. Dietrich von Bern und die Nibelungen
Vorbemerkung.
Es ist immer noch lebhaft bestritten, wie viel von der Wölsungen- (s. oben) beziehungsweise Nibelungensage nordgermanischen, wie viel deutschen Ursprungs sei; auch über den Ort der frühesten Aufzeichnung ist man nicht einig. Fest steht aber, dass Sigurd (Siegfried), seine Vermählung mit Krimhild (der Gudrun der Wölsungensage), seine Ermordung durch Hagen (in der Wölsungensage durch Guthorm), dann der grosse Kampf in der Halle des Heunenkönigs Etzel (Attila) und der Untergang der Burgunden in diesem Kampf ursprünglich deutsche Sagen waren, welche aus Deutschland nach Skandinavien getragen und dort erst umgestaltet wurden.
Es ist hier nicht der Ort, darauf einzugehen, in welcher Weise dies, namentlich durch Anknüpfung von Sigmund an die älteren Wölsungen-Ahnen, geschah. Die mythologische Grundlage der deutschen Siegfriedsage ist die Gestalt eines Baldur gleichen Frühlingsgottes, der den Drachen, den Winterriesen, tötet, aber selbst in der Blüte der Jahre getötet wird. Geschichtliche Züge traten hinzu: der Untergang des Burgundenkönigs Gundikar zu
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