Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
zu verbergen, denn der sei oft Gästen gram und grimmen Sinnes. Als nun der Riese spät in der Nacht von der Jagd nach Hause kommt, dröhnen Eisberge, wie er eintritt; auf seinem Kinn starrt ein Bart wie ein Wald und ist Eis gefroren. Seine Frau bringt ihm bei, dass ausser seinem Sohne Tyr auch Thor gekommen sei, der Menschen Beschützer, der Riesen Gegner: "Dort hinter der Säule stehen sie". Da blickt der Riese so grimmig auf die Säule, dass sie zerspringt, die Kessel oben auf dem Querbalken fallen herab; acht zerbrechen, nur einer bleibt ganz – es ist der gesuchte.
Die Gäste werden nun sichtbar; widerwillig rüstet der Riese das Mahl für sie; drei Stiere lässt er schlachten, aber zwei davon verzehrt Thor allein. – Da brummt der Riese, die Speise für morgen müsse man erst durch Fischfang gewinnen. Am andern Tage fahren nun Hymir und Thor zum Fischfang in die See, der dann ähnlich verläuft wie in der vorigen Erzählung; Hymir zieht zwei Walfische zugleich, Thor die Midgardschlange hervor, welche aber – hier ohne Arglist des Riesen – wieder entkommt.
Der Riese bleibt daher hier noch leben; er stellt Thor die Wahl, ob er die Walfische nach Hause tragen oder das Boot am Ufer befestigen wolle. Der Gott tut aber mehr als dies, indem er das Schiff, ohne vorher das Wasser auszuschöpfen, samt allem Schiffsgerät aufhebt und zugleich mit den beiden Walfischen in des Riesen Felsenhöhle trägt. Diesem wird es immer unheimlicher; gleichwohl will er trotzig die Götterkraft nicht anerkennen, wenn der Gast nicht einen grossen Kelch zerbrechen könne. Wohl wirft Thor den Kelch durch Steinsäulen hindurch, aber unzerbrochen bleibt der Kelch. Da rät ihm (wohl heimlich) die freundliche Frau, den Kelch dem Riesen an den Kopf zu werfen, der sei härter als alles andre; Thor tut so, des Riesen Kopf bleibt unversehrt, aber richtig! – der Kelch zerspringt. "Nun seh’ ich meine liebste Lust verloren, da der Kelch in Stücken liegt," klagt der Riese; doch muss er jetzt die Stärke Thors gelten lassen. Er meint nur noch, ob sie wohl den grossen Kessel aus der Halle hinauszuheben vermöchten? Zweimal bemüht sich Tyr vergeblich; – er kann die Last gar nicht in Bewegung setzen. Da fasst Thor den Kessel am Rand, sperrt die Füsse so stark, dass er den steinernen Estrich durchtritt, hebt den Kessel hoch auf sein Haupt und schreitet stolz und sieghaft mit dem so erbeuteten Kleinod aus der Höhle, Tyr folgt ihm und die mutvollen und stolzgemuten Asen fürchten den Riesen so wenig, dass sie lange fortwandern, ohne sich auch nur umzuschauen. Endlich blickt sich Thor um. "Da sah er aus Höhlen mit Hymir von Osten vielgehauptetes Volk ihm folgen; da harrt’ er und hob von dem Haupte den Hafen, schwang mächtig den mordenden Miölnir entgegen und fällte sie alle, die Felsungeheuer, die ihn anfuhren, in Hymirs Gefolge."
Wir übergehen die zum Teil sehr gewagten Versuche, diese Sage zu deuten [Fußnote: Hymir, der "Dämmerer", soll das Eismeer sein. Die Eisberge sind unzerbrechbar, bis des Gewitters Kraft einen durch den andern zersplittert.] , und erinnern nur, dass sie in zahlreichen Märchen nachklingt; so wird die Mutter des Riesen, "die leidige", zu des Teufels Grossmutter, welche viel ärger ist als der Teufel selbst, während der Riese an den Menschenfresser erinnert, vor dem sich klein Däumling versteckt ("ich riech’, ich rieche Menschenfleisch"), bis er durch Rat und List der wohlwollenden und schönen Frau des Riesen gerettet wird [Fußnote: Thor sind (ausser dem Obigen) geweiht und seinen Namen tragen; der auf Eichen lebende Käfer, lucanus cervus, Hirschschröter, Feuerschröter, welcher auch Donner-guge, Donner-puppe heisst, und, wenn er gefangen in ein Haus getragen wird, alsbald den Blitzstrahl seines rächenden und befreienden Gottes auf das Dach zieht. Dann von Pflanzen der Eisenhut, aconitum, Thor-halm, Thorshelm (doch s. auch Tyr), und der Donnerbart (Hauswurz, sempervivum tectorum), weil auf dem von Thor geweihten Dache lebend und dies vor dem Blitze schützend? oder weil sie, wie sein Hammer, Stein zermürbt? (auch französisch Joubarbe, d. h. barba Jovis), das Donnerkraut (sedum), der Donnerpflug (fumaria bulbosa), Donnerdistel (eryngium campestre), ferner eine Schnepfe (scolopax gallinago), Donnerziege, Donners(tags)pferd, Himmelsziege, deren Flug das nahende Gewitter verkündet, daher auch Wettervogel. – Donnersberge, -stätte, -reut, -lund, -matt usw. sind häufige Ortsbezeichnungen.] .
III.
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