Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Er schlief und schnarchte; da merkten sie, dass dies Schnarchen das Erdbeben gewesen. Erwacht und befragt, nannte er sich Skrymir: "Dich brauch’ ich nicht zu fragen, ich kenne dich, Asathor! Aber wo hast du meinen Handschuh?" Mit diesen Worten streckte er den Arm aus und hob seinen Handschuh auf; da sah Thor und – nicht ohne Staunen! – dass dieser Handschuh die Hütte und der Däumling der Anbau gewesen war. Thor, Thialfi und der Riese wandern nun zusammen; abends legen sie sich unter eine Eiche; Skrymir schläft ein. Vergebens strengt Thor alle Kräfte an, die Schnüre des Speisebündels zu lösen, welche der Riese zusammengezogen, und obwohl er mit dem Hammer zuschlägt, vermag er den Schläfer nicht zu wecken. Der Riese meint, im Schlafe träumend, bei den wuchtigen Schlägen nur, es sei ihm eine Eichel auf den Kopf gefallen. Am Morgen trennen sie sich. Skrymir sagt, die Fremden würden nun bald zu der Burg Utgard des Königs Ut-gard-Loki gelangen; dort möchten sie sich, riet er, nur ja recht bescheiden betragen; denn die Hofmänner jenes Königs würden Übermut von solchen Bürschlein nicht ertragen – (Der Scherz der ganzen Erzählung ist, dass das sonstige Verhältnis zwischen Thor und den Riesen geradezu auf den Kopf gestellt wird.) – Das Gitter der Burg vermögen Thor und Thialfi nicht zu öffnen; so müssen sie sich denn – recht demütigend – durch die Stäbe hindurchschmiegen. Utgardloki erwidert ihren Gruss nur äusserst geringschätzig und wundert sich vor allem, dass Asa-Thor gar so klein sei! Nun beginnen Wettspiele der Gäste mit den Hofleuten des Königs; gegen Loki tritt ein Logi auf; sie wetten, wer stärker essen könne; Loki isst alles Fleisch von den Knochen, aber Logi die Knochen und den Trog dazu! Thialfi wird von Hugi im Wettlauf überwunden. Nun soll Thor ein Horn leeren, das einige von des Riesenkönigs Leuten in einem Zug, auch seine schwächsten Trinker aber in drei Zügen leeren! Thor jedoch vermag, soviel er schluckt, – und er vermag es! – kaum eine Minderung in dem Horn merklich zu machen. Dann soll er Utgardlokis graue Katze vom Boden aufheben; aber nur einen Fuss lupft die Katze auf, so gewaltig Thor sich müht. Endlich soll er ringen mit einem alten Weib (!), Elli, des Königs Amme; aber die Alte steht unerschütterlich, während Thor bald ins Knie sinkt. Sehr bestürzt finden sich die Gäste in allen Kraftproben unterlegen. Als aber am folgenden Tage der König sie verabschiedet, deckt er ihnen auf, dass sie gestern nur durch ein Blendwerk getäuscht worden; zuerst habe er in Skrymirs Gestalt jenes Bündel mit Eisenbanden zusammengeschmiedet, dann gegen die Hammerhiebe Felsstücke vorgehalten, in welche Miölnir tiefe Lücken geschlagen; Logi war das Wildfeuer (der Blitz), Hugi der Gedanke, das Horn war nicht zu leeren, weil das andre Ende im Meere lag, die "kleine Minderung" bedeutet die Ebbe. Die graue Katze war niemand geringerer als die Midgardschlange und Elli war das Alter, "das die Stärksten zu Falle bringt". Der Riesenkönig Utgardloki ist der Todesgott, sein Reich die Unterwelt; füglich mag das Alter des Todes Amme heissen [Fußnote: Mit Asa-Loki ist Utgard-Loki nicht zu verwechseln; es ist freilich folgewidrig, dass der Riese Logi, der mit Asa-Loki ringt, das Wildfeuer, d. h. der Blitz, ist, den doch Thor schwingt; indessen gab es offenbar einen riesischen älteren Feuergott wie Donnergott (Thrymr); andre erklären das Wildfeuer als unterirdisches Feuer. Zahlreiche Nachklänge dieser Sage finden sich in deutschen Märchen, z. B. vom kleinen Däumling.] .
Ganz ähnlich gestaltet sind die beiden Sagen von Thors Fahrten nach Geirrödsgard und zu dem Riesen Hymir.
Loki, dessen gefährliche Vielgeschäftigkeit die Götter gar oft in schlimme Lagen bringt, war, zur Kurzweil und aus Neugier, einmal in dem von Freya entliehenen Falkenhemd (s. unten Freya) auf Abenteuer aufgeflogen, kam in Riesenreich an die Halle Geirröds und guckte zum Fenster hinein. Er wird ergriffen; an den Augen merkt der Riese, dass jener kein Vogel, sondern ein Mann sei; und da Loki nichts gesteht, sperrt er ihn in eine Kiste und lässt ihn drei Monate hungern. Das macht den Falken kirre; er gesteht, wer er sei und erkauft sich die Freilassung durch das Versprechen, Thor ohne seinen Hammer und Stärkegürtel nach Geirrödsgard zu schaffen; – also waffenlos. Der mutige Thor geht gutherzig auf das gefährliche Wagnis ein, des Genossen Wort einzulösen. Unterwegs entleiht er von
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