Walküre
Wand und atmete tief durch. »Scheiße ... Sie wusste wirklich, was sie tat.«
»Das war's bestimmt, was Dr. Köpke, der Chefpsychiater der Mecklenburger Klinik, dir mitteilen wollte. Er hat wieder angerufen ... als du die Wahnsinnige vernommen hast.«
»Ich rufe zurück«, versprach Fabel. »Aber zuerst brauche ich etwas Aspirin und ein Pflaster für meinen Schädel.«
4.
»Wo ist sie jetzt?« Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang aufrichtig besorgt.
»Wieder sicher in ihrer Zelle, Herr Doktor«, sagte Fabel. »Wo sie keinen Schaden anrichten kann.«
»Darauf würde ich mich lieber nicht verlassen«, meinte Köpke. Er hatte eine tiefe, etwas kratzige Stimme. Fabel hörte ein metallisches Klicken und ein Knistern. Eine Zigarette wurde angezündet. Ein Mediziner sollte es eigentlich besser wissen, dachte Fabel. »Ich wollte Sie warnen, bevor Sie mit der Vernehmung anfingen.«
»Ich habe die Nachricht nicht ...«, setzte Fabel an, doch Köpke unterbrach ihn.
»Hat sie wieder gemordet?«
»Ja. Ein männliches Opfer. Und sie hat ihn kastriert.«
»Wie heißt er?« Es war eher eine Forderung als eine Frage. »Ich kann nicht...«
»Hieß das Opfer Georg Drescher? Oder behauptete Margarethe, dass es Georg Drescher war?«
»Ich kann die Identität des Opfers weder bestätigen noch dementieren. Das wissen Sie doch.«
»Gut, Herr Hauptkommissar, Sie und ich können unsere Spielchen machen, und dann werden noch mehr Menschen sterben, oder wir können ehrlich miteinander reden und vielleicht ein paar Leben retten. Wie hätten Sie's gern?«
»Was haben Sie mir zu sagen, Dr. Köpke?«
»Zuallererst müssen Sie dafür sorgen, dass Margarethe unter maximalen Sicherheitsvorkehrungen verwahrt wird.« Fabel hörte, wie der Psychiater den Atem ausstieß, und stellte sich vor, dass der ihm unbekannte Mann von Rauch umwabert wurde. »Sie muss von nicht weniger als zwei, möglichst drei Wächtern beobachtet werden. Zweitens sollten Sie sich bemühen, Ihre Forderungen wie Bitten klingen zu lassen. Margarethe reagiert mit größter Feindseligkeit auf jede Andeutung eines Befehls. Und glauben Sie mir, Herr Hauptkommissar, diese Feindseligkeit kommt sehr professionell zum Ausdruck.«
»Davon kann ich mir inzwischen ein Bild machen.« Fabel berührte unwillkürlich den Mullverband an seiner Stirn.
»Aha.« Erneut das Ziehen an einer Zigarette, gefolgt von einem hastigen Ausatmen. »Das wundert mich nicht. Außerdem sollten Sie mir so schnell wie möglich eine gerichtliche Verfügung zukommen lassen, damit ich Ihnen die Unterlagen über Margarethe Paulus' Behandlung übersteilen kann. Ich habe Bänder und Videos von meinen Sitzungen mit ihr, und Sie sind gut beraten, sich alles anzuhören und anzusehen.«
»Wie wäre es zunächst mit einer kleinen inoffiziellen Zusammenfassung?«, fragte Fabel.
»Margarethe Paulus war ein Kind der DDR«, erwiderte Köpke. »Ihre Eltern waren nach meinen Informationen unkonventionelle Freidenker, die mit den Behörden in Konflikt gerieten. Sie landeten im Gefängnis, und beide starben vor der Wiedervereinigung an Krebs. Margarethe wurde in ein staatliches Pflegeheim gebracht. Was Sie interessieren sollte, sind die Dinge, die ihr den Berichten zufolge danach zustießen. Bevor ich fortfahre, muss ich ein paar Worte über ihre Krankengeschichte sagen. Schon im staatlichen Waisenhaus klagte sie über schwere Kopfschmerzen. Damals muss sie ungefähr acht Jahre alt gewesen sein. Sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert, wo man vermutete, dass sie unter einem Gehirntumor litt. Man entdeckte eine Wucherung, die später für gutartig erklärt wurde, aber die Art des Tumors ist unklar. Es war ein recht großes Teratom, das als fetus in fetu interpretiert werden konnte.«
»Verzeihung ...«, unterbrach Fabel irritiert. »Das müssen Sie erklären.«
»Ein Teratom ist ein Tumor, der aus allen möglichen Gewebearten besteht. Er kann Haare, Zähne und Augengewebe enthalten. Manchmal auch Gliedmaßen, zum Beispiel eine Hand oder einen Fuß. In seltenen Fällen wird ein Kind mit einem Zwilling in seinem Innern geboren. Fetus in fetu. Die medizinische Meinung ist geteilt darüber, ob dies wirkliche Föten sind, die sich innerhalb ihres Zwillings – statt neben ihm – herausgebildet haben, oder ob es sich nur um ein komplexeres Teratom handelt. Wie auch immer, sie sind nicht zu einem unabhängigen Leben fähig. Das, was aus Margarethes Gehirn entfernt wurde, sah jedenfalls aus wie ein
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