Walküre
passiert ist, kam zustande, weil du sie anders behandelt hast – nur weil sie eine Frau ist. Du hast doch gesehen, was sie mit dem Mann in ihrem Apartment angestellt hat. Wäre sie ein männlicher Tatverdächtiger gewesen, hättest du sie zur Eigensicherung an den Tisch fesseln lassen.«
»Ich werd's mir für die Zukunft merken«, erwiderte Fabel und wandte seine Aufmerksamkeit den übrigen Anwesenden zu. »Ihr habt alle gehört, dass es einen Durchbruch gegeben hat. Allerdings weiß ich nicht, ob man wirklich davon sprechen kann. Noch ein Mann ist tot. Aus Rache gefoltert und ermordet. Möglicherweise hat Margarethe Paulus auch die Morde im Stadtteil St. Pauli und an dem dänischen Kriminalbeamten Jens Jespersen begangen.« Fabel trank einen weiteren Schluck Kaffee und setzte sich auf die Ecke des vorderen Schreibtisches. »Wir haben ein einzelnes blondes Haar am Westland-Tatort gefunden, und es gab gute Gründe für die Vermutung, dass es von der Mörderin stammt. Bevor wir diese Spur weiterverfolgen, muss ich euch mitteilen, dass die DNA nicht mit jener Frau übereinstimmt, die wir verhaftet haben.«
»Trotzdem könnte sie es gewesen sein«, meinte Werner. »Vielleicht wird dadurch nur bewiesen, dass es nicht das Haar der Mörderin ist.«
»Mag sein«, sagte Fabel. Er wurde durch das Eintreffen von Dirk Hechtner und Henk Hermann abgelenkt. »Ich hatte euch nicht so schnell zurückerwartet. Ihr solltet doch alle Sachen der Verdächtigen eintüten.«
»Haben wir schon«, antwortete Hechtner. »Es gab nicht viel einzutüten. Sie hatte drei Kleidergarnituren: eine elegante, eine geschäftsmäßige und eine für die Freizeit. Wir haben der Spurensicherung ein chirurgisches Besteck übergeben. Anscheinend hatte sie die Instrumente des Bestecks, die sie benötigte, in die Küche gebracht.«
»Was habt ihr noch gefunden?«, fragte Fabel.
»Viertausend Euro in bar«, antwortete Henk Hermann. »Eine Waffe ...«
»Was für eine Waffe?«
»Keine, die mir bisher vor Augen gekommen ist«, erwiderte Henk. »Sie erinnert mich ein wenig an eine PPK, aber sie ist offensichtlich noch nicht so alt, und an der Seite stand ›Made in Croatia‹. Also haben wir den Computer befragt. Offenbar ist es eine ...«, Henk zog sein Notizbuch zurate, »... eine PHP-MV9. Sie wurde von den Kroaten in den frühen Neunzigern für den Unabhängigkeitskrieg entwickelt. Unter Waffenfanatikern scheint sie eine Art Sammlerobjekt zu sein. Eine Seltenheit. Außerdem haben wir ein wirklich seltsames Handschuh-Messer gefunden ... ganz sonderbar. Es hat einen Lederriemen, den man sich an der Hand und am Gelenk befestigt, und eine verborgene Metallplatte, die in die Handfläche passt, mit einer kurzen, gebogenen Klinge, die unten hervorsteht. Wir nehmen an, dass es irgendeine Art Waffe ist.«
»Wo ist sie jetzt?«, fragte Fabel.
»Wir haben sie den Technikern zum Testen übergeben«, antwortete Dirk Hechtner. »Wenn das Messer als Waffe benutzt worden ist, dann wette ich ein Wochengehalt, dass wir Blut an dem Lederteil finden werden.«
»Sehr gut«, lobte Fabel. »Noch etwas?«
»Ein Make-up-Koffer«, sagte Dirk. »Er enthält verschiedene Haarfärbemittel und unterschiedliche Schminkutensilien. – Es handelt sich nicht um gewöhnliche Kosmetika, sondern um solche zur Veränderung des Äußeren. Und weitere Sachen ... Wir haben eine Weile gebraucht, um herauszukriegen, wozu sie dienen. Wangenprothesen, um die Gesichtsform umzuwandeln, und Ähnliches. Daneben haben wir einen Ordner mit Papieren gefunden, die ihre Identität als Ute Cranz bestätigen.«
»Wartet mal«, warf Anna ein. »Margarethe Paulus war eine Geisteskranke auf der Flucht aus einer Nervenklinik, wo sie die letzten fünfzehn Jahre verbracht hat. Woher zum Teufel hatte sie all die Hilfsmittel?«
»Eine sehr gute Frage«, sagte Fabel. »Es liegt auf der Hand, dass sie fremde Hilfe gehabt hat. Sehr professionelle Hilfe. Kehren wir zu dem zurück, was wir inzwischen herausgefunden haben. Das Opfer ist ein gewisser Robert Gerdes, aber vermutlich ist das nicht seine wahre Identität. Sehr wahrscheinlich war er Georg Drescher, ein früherer Major der Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi. Bis jetzt wissen wir, dass Drescher als Führungsoffizier von drei hochqualifizierten Agentinnen arbeitete, die eine Spezialausbildung als Mörderinnen absolviert hatten. Allem Anschein nach war Drescher von der Marktwirtschaft begeistert und gründete eine eigene kleine Firma für Auftragsmorde
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