Walküre
auf. Sie bekamen mit, wie wir darüber redeten. Wir waren dumm. – Obwohl die Stasi uns ausgebildet hatte, konnten wir uns nicht vorstellen, dass sie auch uns abhören würde.«
»Also glauben Sie nicht, dass die anderen auf das Inserat reagieren würden?«, fragte Fabel.
»Nein. Und wir haben keine andere Vereinbarung getroffen. Danach wurden wir getrennt und sahen einander nie wieder.«
»Seitdem hatten Sie keinen Kontakt mehr? Mit keiner der anderen Walküren?«
»Überhaupt keinen.«
»Sie haben erwähnt, dass Drescher einen Liebling hatte. Die Frau, mit der er Ihrer Meinung nach zusammengearbeitet hat. Mit welcher denn, Margarethe? Wer war ihm am liebsten: Liane Kayser oder Anke Wollner?«
»Anke Wollner. Liane ... war anders. Sie hatte weniger Disziplin und wollte ihren Kopf durchsetzen. Anke war Dreschers kleiner Schützling.«
Anna Wolff kehrte ins Zimmer zurück und setzte sich wieder auf ihren Platz. Sie beantwortete Fabels forschenden Blick mit einem raschen Kopfschütteln.
»Ich frage Sie noch einmal ...« Fabel wandte sich wieder an Margarethe. »Wenn es nicht eine der anderen Walküren war, wer hat Ihnen dann die Mittel zur Tötung von Drescher geliefert?«
Die leere Maske senkte sich erneut auf ihr Gesicht.
»War es jemand anders von der Stasi? Vielleicht arbeitete noch eine andere Person mit Drescher zusammen und hielt ihn für eine Bedrohung?«
Keine Antwort.
»Sagt Ihnen der Name Thomas Maas etwas? Ulrich Adebach?«
Fabel ging die Liste durch, die er von der BStU erhalten hatte. Aber offensichtlich waren sie in eine Sackgasse geraten. Fast schien es, als hätte Margarethe begriffen, dass sie zu offen gewesen war, weshalb sie nun abschaltete. Nein, dachte Fabel, dafür hat sie zu viel Selbstkontrolle. Alle Informationen, die sie preisgegeben hatte, waren bewusst von ihr enthüllt worden.
Fabel beendete die Vernehmung, und Margarethe wurde unter schwerer Bewachung in ihre Zelle zurückgebracht. Er hatte angeordnet, sie unter Videoüberwachung zu stellen.
»Es gibt also keine Informationen zu den Namen?«, erkundigte er sich bei Anna, sobald sie auf den Flur hinausgetreten waren.
»Nicht die geringsten. Aber das ist kein Wunder, Chef. Wenn die Mädchen von der Stasi ausgewählt wurden – besonders wenn sie Waisen waren oder aus zerrütteten Familien stammten –, dann hat man vermutlich als Erstes alle Daten über sie aus den Archiven entfernt. Das ist ja auch kein Problem, wenn man für alle öffentlichen Unterlagen zuständig ist.«
»Bitte wende dich noch einmal an die BStU in Berlin.« Fabel lehnte sich an die Wand. »Nenne ihnen diese Namen, dann werden wir sehen, was dabei herauskommt. Die Stasi hielt sich für unverwundbar ... Vielleicht dachte man, dass es relativ gefahrlos sei, die wahre Identität der Mädchen in den internen Akten zu erwähnen.«
»Das ist sehr, sehr spekulativ, Chef«, erwiderte Anna.
»Im Moment ist das unsere größte Chance.«
Karin Vestergaard und Werner Meyer, die die Vernehmung aus dem Nebenraum beobachtet hatten, schlossen sich ihm an.
»Was meinen Sie?«, fragte Fabel die Dänin.
»Ich weiß nicht«, gab sie seufzend zurück. »Es ist schwierig, Mienenspiel und Körpersprache über eine CCTV-Verbindung zu deuten.«
»Es gab nichts zu deuten, glauben Sie mir. Margarethe Paulus fehlt ein großes Stück Menschlichkeit. Aber Sie haben gehört, was sie über Jespersens Tod ausgesagt hat. Sie behauptet, dass sie nichts damit zu tun hatte, und es stimmt, dass sie durch eine Lüge nichts zu gewinnen hat.«
»Genau«, bestätigte Karin Vestergaard. »Ich bin geneigt, ihr Glauben zu schenken.«
»Ich auch«, sagte Fabel. »Und was haben wir nun noch vorliegen?«
»Naja«, antwortete Anna, »wir haben die professionelle Ermordung von Jorgen Halvorsen in Norwegen und den Tod von Jens Jespersen in Hamburg. Die Vermutung bietet sich an, dass es eine direkte Verbindung zwischen ihnen gibt.«
»Außerdem haben wir die Morde auf dem Kiez – die von Jake Westland und Armin Lensch«, sagte Werner. »Die sogenannte Rückkehr des Engels von St. Pauli. Auch hier muss eine Verbindung bestehen.«
»Und den Mord an Georg Drescher«, fügte Anna hinzu. »Ob Margarethe an der Tötung von Jespersen und Halvorsen beteiligt war oder nicht, ein Zusammenhang ist bestimmt vorhanden. Damit haben wir im Grunde drei Mordgruppen mit einem gemeinsamen Faktor: nämlich dem Plan der Stasi, Attentäterinnen – Walküren – in den Westen zu
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