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Walküre

Walküre

Titel: Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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die Schutzpolizisten waren ihrem Beispiel gefolgt. Er drückte sich ein Taschentuch an Mund und Nase, bückte sich und untersuchte Sparwald, der zur Decke hinaufstarrte. Seine Gesichtshaut war bleich und fleckig. Mitten in seiner Stirn befand sich ein Einschussloch, und ein zweites klaffte unter seinem Kinn. Hier hatten sie die professionelle, zügige Vernichtung eines Lebens vor sich.
    »Die gleiche Vorgehensweise wie bei Halvorsens Ermordung«, stellte Vestergaard fest und hielt sich den Handrücken an die Nase, um sich gegen den Gestank des Todes abzuschirmen. Doch sonst schien die Szene sie nicht zu berühren. Ihre Stirn war ein wenig gerunzelt, aber dabei handelte es sich um die Konzentration eines Profis, der die Umstände analysiert.
    »Ganz richtig«, sagte Fabel. »Wahrscheinlich ist er mit einem langsamen Hohlspitzgeschoss getötet worden.«
    »Die Walküre«, murmelte Vestergaard.
     
    Das Revier in Poppenbüttel gehörte zur Polizeidirektion Ost und hätte sich kaum stärker von der Davidwache oder dem Kommissariat am Klingberg unterscheiden können. Das Polizeikommissariat 35 lag am Wentzelplatz neben der S-Bahnstation. Es befand sich in einem imposanten, nagelneuen Gebäude aus massiven modernistischen Blöcken mit Winkeln, Biegungen und Krümmungen. Fabel fand die Strenge der Konstruktion geradezu einschüchternd und dachte, dass zum Beispiel die Davidwache viel ansprechender auf die Öffentlichkeit wirkte.
    Er hatte das erforderliche Personal nach Poppenbüttel geholt, darunter Holger Brauner und sein Spurensicherungsteam sowie Anna, Werner, Henk und Dirk. Die Schutzpolizisten vom Polizeikommissariat 35 setzten ihren Dienst nach dem Schichtwechsel fort, sodass nun doppelt so viele Beamte zur Verfügung standen. Außerdem hatte Fabel Polizeidirektor van Heyden angerufen, dessen missbilligender Tonfall andeutete, dass er den Hauptkommissar persönlich für den neuen Mord verantwortlich machte. Immerhin hatte er sich Fabels Bitte um weitere Mitarbeiter nicht widersetzt.
    Als Erstes sprach Fabel mit dem Spurensicherungsteam. Brauner war mit mehreren Mannschaftswagen eingetroffen, die zwölf Spezialisten und sämtliche technischen Geräte für eine gründliche Untersuchung des Tatorts enthielten.
    »Wenn es dir nichts ausmacht«, sagte Brauner, »möchte ich Astrid zunächst allein hineinschicken. Sie hat ein Talent dafür, Spuren an älteren Tatorten aufzufinden.«
    »Das musst du entscheiden, Holger«, antwortete Fabel. »Schließlich ist es dein Gebiet, nicht meines. Aber sie muss wirklich gut sein ... Normalerweise würdest du einen Schauplatz wie diesen selbst abgrasen.«
    »Glaub mir, Jan, sie ist eine der Besten, die ich kenne.«
    Fabel hielt eine Besprechung im Haupttagungsraum des Kommissariats ab, in dem sich die Beamten drängten. Seine Strategie war schlicht genug: seine Leute sollten an jede Tür klopfen, jedem Gedächtnis auf die Sprünge helfen und jedes Detail niederschreiben. Zugleich hoffte er gegen alle Wahrscheinlichkeit, dass die forensische Begutachtung des Mordtatorts einen Hinweis auf die Walküre liefern würde. Karin Vestergaard und er hatten ausgerechnet, wann die Mörderin in Oslo gewesen war, und anhand von Astrid Bremers ersten Beobachtungen den Zeitpunkt von Sparwalds Tod geschätzt. Auf dieser Grundlage arbeitete Fabel einen groben Terminplan für die Täterin aus und beauftragte ein Team, Flug-, Zug- und Fährverbindungen zu überprüfen. Es war reine Spekulation, zumal sie es mit einer Frau zu tun hatten, die offenbar nie Spuren hinterließ – und nie Fehler machte.
    Fabel kehrte gegen 22 Uhr heim und ließ Susanne wissen, was der Tag erbracht hatte.
    »Du siehst erschöpft aus«, sagte sie. »Hast du schon gegessen?«
    »Ich habe mir etwas in Poppenbüttel geschnappt.« Er seufzte. »Wir haben stundenlang versucht, ihre Schritte zurückzuverfolgen. Ich weiß nicht, Susanne ... Diese Mörderin, die Sache mit Margarethe Paulus... manchmal scheint mir, dass all das über meine Kräfte geht. Zum ersten Mal seit Jahren fühle ich mich bei einem Fall völlig hilflos.«
    Susanne lächelte und strich ihm eine Locke aus der Stirn. »Möchtest du hören, was ich denke?«
    »Natürlich. Ich lege immer Wert auf deine Meinung. Das weißt du doch.«
    »Ich rede nicht von meiner professionellen, sondern von meiner persönlichen Einschätzung.«
    »Einverstanden.«
    »Männer suchen immer nach dem Geheimnis, wie sie bei Frauen Erfolg haben können. Diese Frage stellt ihr einander

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