Walküre
»Drei Frauen sind daran beteiligt. Margarethe Paulus, Liane Kayser und Anke Wollner. Alle drei sind in der ehemaligen DDR aufgewachsen und zu Mörderinnen ausgebildet worden. Und alle haben eine neue Identität erhalten. Margarethe Paulus ist geistesgestört und hat Drescher gefoltert und ermordet. Liane Kayser ist untergetaucht und führt wahrscheinlich ein normales Leben unter einem falschen Namen. Und Anke Wollner ist unserer Meinung nach zur Walküre geworden. Gestern Abend hat sie die Bombe gelegt, um Frolow zu warnen.«
»Verdammt, ich kann's nicht glauben!« Martinas Gesicht lief rot an, und ihre Augen glitzerten. »Und für welche hältst du mich, Jan? Meinst du, dass ich nach draußen gegangen bin, um die Bombe aus nächster Nähe detonieren zu lassen, wobei mir das Trommelfell geplatzt ist? Oder hältst du mich für die Wiedergeburt der untergetauchten Mörderin?«
»Ich lege dir überhaupt nichts zur Last, sondern ich möchte nur, dass du mir die Ereignisse von gestern Abend schilderst. Vielleicht hast du etwas Ungewöhnliches gesehen. Du bist eine Zeugin, Himmelherrgott. Ich muss dich befragen.«
»Wir wollten gerade aufbrechen«, erwiderte Martina eisig. »Als wir eintrafen, führte ich Frolow und seine Leute weg von den Fenstern. Ich hatte den hinteren Teil für ihn reservieren lassen. Frolow und seine Geschäftsfreunde waren schon bei Kaffee und Cognac angelangt. Ich wies Lorenz an, bei Iwan, Frolows eigenem Sicherheitschef, zu bleiben, und ging auf eine Zigarette hinaus. Der Mercedes war ein wenig weiter unten an der Straße abgestellt, und ich ließ den Pagen wissen, dass wir den Wagen am Eingang brauchen würden. Dann erhielt er die Nachricht vom Oberkellner – und bum! Der Mercedes und mein Trommelfell waren futsch. Übrigens hatte ich die Hände nicht in den Taschen, Jan. Du kannst den Pagen fragen. Nur für den Fall, dass du denkst, ich hätte mir einen Fernzünder eingesteckt.«
»Hast du draußen jemanden außer dem Pagen gesehen?«, ignorierte Fabel Martinas Stichelei.
»Nein. Es war niemand in Sichtweite, der die Zündung hätte auslösen können. Höchstens noch der Page. O ja, und ich natürlich.«
»Martina, so hilfst du uns nicht weiter. Ehrlich gesagt, ist es mir scheißegal, ob es in deinen Geschäftsplan passt, wenn wir ein potenzielles Mordopfer schützen. Für mich geht es nur darum, ein Bild von der Auftragsmörderin zu bekommen. Hast du irgendetwas gesehen oder gehört, das mit der Explosion zu tun haben konnte?«
Martina atmete durch. »Nein. Eigentlich nicht. Aber ich glaube nicht, dass es die Funkverbindung zwischen dem Oberkellner und dem Pagen war, die die Bombe explodieren ließ. Alles andere war zu professionell, als dass der Zünder nicht selektiv abgeschirmt worden wäre.«
Fabel hob die Augenbrauen.
»Ich habe einen Kurs darüber absolviert«, erklärte Martina. »Aber der zweite Punkt ist der, dass die Detonation zwar in etwa losging, als das Funkgerät eingesetzt wurde, aber nicht genau gleichzeitig. Und das deutet daraufhin, dass die Bombe als Warnung gedacht war.«
»Das ist auch unser Kenntnisstand«, bestätigte Fabel.
»Trotzdem leuchtet es mir nicht ganz ein.« Martinas früherer Zorn schien sich verflüchtigt zu haben. »Alles ist sehr professionell ausgeführt worden, mit hoher Präzision. Das passt zu dieser Mörderin. Andererseits gibt eine Mörderin keine Warnungen.«
»Mmm, du könntest recht haben«, meinte Fabel. »Aber wie du sagst, alles andere passt zu ihr.«
»Vielleicht erweitert sie ihre Dienstleistungen.« Martina schmunzelte. »Mit der Zeit gehen, um sich der Marktnachfrage anzupassen.«
»Möglich ... Aber wenn das der Fall ist, werden wir sie schnappen. Weil sie sich nicht auf das konzentriert, was sie am besten kann.«
Fabel wurde von Anna Wolff unterbrochen, die das Büro betrat, ohne anzuklopfen. Sie hatte ein Exemplar von Muliebritas in der Hand und warf es auf Fabels Schreibtisch.
»Hier ist die neueste Nummer.« Sie klatschte mit der Handfläche auf die Zeitschrift. »Unser Inserat ist drin.«
»Ja, Anna, ich weiß«, erwiderte Fabel, als spräche er mit einem ungezogenen Kind.
»Aber es ist nicht das einzige«, sagte Anna. »Jemand anders versucht auch, mit der Walküre Kontakt aufzunehmen.«
4.
Man umgibt sich mit Dingen, dachte sie. Mit Krempel. Man umgibt sich mit Dingen, um die Lücken zu füllen. Früher war es ihr sehr wichtig erschienen, schöne Dinge zu besitzen. Wie den Couchtisch, den sie eigens aus
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